“Wir sind Paten, Eingeheiratete, Blutsverwandte
Nebeneinander liegende Dörfer, mit Nomadenzelten
Über Jahrhunderte haben wir Töchter zur Frau genommen und gegeben
Wir sind Nachbarn, Seite an Seite
Unsere Hühner mischen sich untereinander…”
Ahmed Arif
Eine der großen Tageszeitungen der Türkei hat in ihrem Logo die Worte “Die Türkei gehört den Türken”…
Auch in der chauvinistischen Propaganda zum 75. Jahrestag der Gründung der Republik hören wir diese Worte oft und wir haben kapiert, daß wir sie noch über Monate hören werden. Ist das historisch wirklich so? Gehört die Türkei “ausschließlich” Türken?
Wer verschiedene Städte in der Türkei gesehen hat oder auch nur eine der für Touristen anschaut sieht sofort, daß dies nicht der Realität der Türkei entspricht. Ja, Anatolien ist türkisch. Aber gleichzeitig auch kurdisch. Ein bißchen griechisch, ein bißchen armenisch, ein bißchen arabisch, ein bißchen tscherkessisch, ein bißchen lazisch…
Anatolien ist seit Jahrtausenden Heimat verschiedener Völker. Türken, Kurden, Araber, Lazen, Tscherkessen, Bosnier, Aserbeidschaner und noch viele muslimische und christliche Völker mehr haben ihren Schweiß in den Boden Anatoliens vergossen, ihn bebaut, seine Produkte und die schönsten Werte, Traditionen hervorgebracht.
Die in Anatolien lebenden Völker oder verschiedene Glaubensrichtungen einer Nationalität, die verschiedenen Stämme, Clans, in verschiedenen Regionen Lebenden haben jede eigene Werte, Traditionen und Kulturen erzeugt Von Hochzeiten zu Kulturfesten, zum Empfang des Besuchs von Nachbarn, von Begräbnissen bis Geburten, von den tagtäglichen Kontakten der bis zur Familienstrukturen sind diese Unterschiede leicht zu entdecken. Sie sind in der Geographie, der Religion oder der Ökonomie begründet.
Aber diese kulturellen Besonderheiten waren nie ein Hindernis dafür, daß die Völker geschwisterlich, unter gegenseitiger Freundschaft und mit Respekt füreinander, mit Toleranz gelebt haben. Mit ihren eigenen kulturellen Besonderheiten lebten sie geschwisterlich miteinander. Diese Beziehungen zueinander haben als natürliche Volke auch gemeinsame kulturelle Eigenheiten hervorgebracht. So sind zum Beispiel in der türkischen Kultur Einflüsse der kurdischen und arabischen Kultur festzustellen. Das gleiche gilt für die Kulturen des kurdischen, arabischen Volkes und anderen Völker.
Auch wenn Sprache und Religion der Völker verschieden sind, so haben sie sich doch von Zeit zu Zeit gegenseitig geholfen. Manchmal sind die Dörfer Nachbarn. Diesseits liegen Dörfer der Türkmenen. Auf der jenseitgen Bergseite dagegen liegen Dörfer der Kurden. Wenn du dagegen in die Ebene herabsteigst, so beginnen die Dörfer der Araber… So sehr sind sie ineinander verwoben. Sie laden sich gegenseitig zu ihren Hochzeiten und Kulturfesten ein. Zu Begräbnissen erstatten sie Kondolenzbesuche.
Manchmal leben verschieden Nationalitäten in einem Dorf. Die obere Seite und die untere Seite des Dorfes… Oder sogar Tür an Tür. Gemeinsam feiern sie Feste, teilen gute und schlechte Zeiten.
Das Kloster Sümela zum Beispiel kennt jeder, zumindest aus Fernsehen oder Zeitung. Während in der Kirche gemäß der Religion eine Zeremonie abgehalten wird, warten die Muslimen draußen, opfern Schafe und bereiten das Fest vor. Wenn die Zeremonie beendet ist, kommen die Christen aus der Kirche dazu. Gemeinsam feiern und tanzen Türken, Lazen, Georgier, Griechen, Armenen…
Die Kämpfer Scheich Bedretins kannten keine Unterscheidung nach Sprache, Religion oder Nationalität, während sie in Aydin ihr Leben organisierten, sie teilten alles, alles wurde mit gemeinsamer Mühe und Arbeit aufgebaut. Unter den Angriffen der Padischah und Herren schwangen sie ihre Schwerter Schulter an Schulter und ihr Blut mischte sich.
Waren die Beziehungen der Völker auf dem Boden Anatoliens immer so, geschwisterlich und von Toleranz geprägt? Leider nein. Manchmal sind die Völker aufeinander losgegangen haben die grausamste Unterdrückung angemessen gefunden. Nun, warum das? Was hat das Bild der Geschwisterlichkeit zerstört? Was war er, das die Völker untereinander nicht teilen wollten? Eigentlich gibt es keine “befriedigende” Antwort darauf.
Die Herrschenden, von den Osmanen bis heute haben zur Sicherung ihrer eigenen Herrschaft versucht, die Völker gegeneinander aufzubringen. Dafür haben sie künstliche Unterschiede zwischen ihnen geschaffen, den Samen der Feindschaft gesät. Sie haben Provokationen organisiert, den Glauben der Völker ausgenutzt, um mit Hilfe von eigenen Religiösen Religionsgerichte zu gründen. Das Blut eines anderen Volkes zu vergießen wurde als rechtmäßig bezeichnet, als Gegenleistung für das Blutvergießen war einem ein Platz im Paradies sicher.
Wenn ein Volk gegen Unterdrückung und Ausbeutung aufstand, versuchten die Herrschenden ein anderes Volk zu gewinnen, um mit seiner Hilfe den Aufstand zu unterdrücken. Dies war manchmal erfolgreich.
Zum Beispiel wurden Sunniten eingesetzt, um die Aufstände der alevitischen Völker niederzuschlagen, Massaker wurden an Aleviten verübt. Auf diese Weise wurden Türken gegen Kurden, Kurden gegen Armenier, Armenier gegen Türken, Araber gegen Griechen bewaffnet und Feindschaft zwischen ihnen gesät. Zum Beispiel versuchten die Imperialisten während des Befreiungskrieges die Armenier zu benutzen, um den Widerstand zu brechen. Zum Beispiel haben die Kemalisten alevitische Kurden Stämme benutzt, um den Aufstand Scheich Sait’s und sunnitische Kurdenstämme, um den Ersim Aufstand niederzuschlagen. Während des 1. Verteilungskrieges wurden Massaker gegen Armenier verübt. Hunderttausende von Armeniern wurden ermordet oder in die Migration gezwungen.
Nicht nur zur Niederschlagung von Aufständen, auch aus anderen Gründen wurde versucht, die Völker gegeneinander aufzuhetzen. Manchmal waren es Großgrundbesitzer und Feudalherren, die die Völker gegeneinander aufhetzten, um sich Boden und Reichtum eines anderen Volkes anzueignen.
Als Ergebnis dieser Hetze, der Provokationen und Massaker der Herrschenden sind einige Vorurteile erzeugt worden. So werden Araber als dreckig angesehen. Sie werden abschätzig als “Fellachen” bezeichnet. Rumänen dagegen sind “Diebe”. Man setzt sich nicht einmal neben sie. Armenier und Griechen sind “Heiden”, der “geschichtliche Feind”. Kurden sind “primitiv”, Lazen “Dummköpfe”, Türken “Unterdrücker”. “Ungläubige”…
Die Herrschenden haben die “Teile und herrsche” Politik mit dem Kapitalismus und besonders mit der Entwicklung der Nachrichtenverbreitung noch intensiviert. Auf der Basis der Erhabenheit der herrschenden Nation wurde der Chauvinismus zu einer der grundlegenden Politiken der Regierenden.
Der Faschismus nutzt den Chauvinismus, indem er Theorien von der Überlegenheit der Türkischen Rasse entwickelt, um sich eine Massenbasis zu verschaffen. Alle anderen Völker erklärt er zu Feinden. Von allen Seiten ist er von Feinden umgeben… “Es gibt keinen Freund des Türken außer dem Türken”. Von dieser chauvinistischen Politik beeinflußte Kreise möchte er gegen die anderen Völker benutzen oder sie zumindest entsprechen der Politik des Staates formen und gegen den Kampf der Völker einsetzen.
Aber eines der wichtigsten Hindernisse gegen die chauvinistische Politik und Propaganda des Faschismus ist die Realität der Völker in Anatolien.
Zusammen mit der Entwicklung des Kapitalismus haben sich die Völker durch die breite Migration vom Land in die Städte noch mehr ineinander verwoben. Heute leben vor allem in den großen Städten Menschen jeder Nationalität und Glaubensrichtung zusammen. Sie sind Nachbarn der gleichen Stadtviertel. Sie vergießen ihren Schweiß in den gleichen Fabriken. In der Schule drücken sie die gleiche Bank. Sie werden vom gleichen Mühlrad der Ausbeutung, der gleichen Unterdrückung und Armut, dem gleichen Hunger zermalmt.
Nun, fragen wir mal. Wer ist verantwortlich, für die Armut und Unterdrückung, die ein Arbeiter erlebt? Kann der Verantwortliche für die Schmerzen, die ein Arbeiter durchmacht ein Arbeiter eines anderen Volkes aus der gleichen Fabrik sein? Natürlich nicht. Oder wenn heute Sprache, Kultur und Traditionen der Völker verboten werden, ist der Verantwortliche dafür das türkische Volk? Ist es nicht. Auch die Kultur und die Traditionen des türkischen Volkes sind von der verfaulten imperialistischen Kultur bedroht. Es wird versucht, die Beziehungen zwischen den Menschen, die Werte, die Traditionen eine nach dem anderen zu zerstören. Dies ist das gemeinsame Problem aller unserer Völker. Der Verantwortliche dafür ist das System. Es ist auch das System, daß die verfaulte imperialistische Kultur verbreitet, Sprache und Kultur der Völker verbietet, ausbeutet und unterdrückt. Die Besitzer und Herrschenden dieses Systems dagegen sind im Grunde genommen weder Türken, noch Kurden, noch Lazen!
Dieser Staat, das ist klar, ist keiner eines der Völker Anatoliens. Er ist auch nicht der Staat des türkischen Volkes, das ist auch klar. Wessen Staat ist es? Vor allem ist er nicht der Staat unserer Völker. Daran können weder der Name “Türkei” noch die Demagogie von “Dieser Staat ist der Staat von uns allen, zwischen uns gibt es Separatisten” etwas ändern.
Schauen wir uns die Herrschenden an. Entstammen sie nicht allen Nationalitäten? Sabanci, ist er nicht “Türke”? Cefi Kamhi, ist er kein “Jude”? Ist Sedat Bucak kein “Kurde”? Ist Besim Tibuk kein “Laze”? Lassen sich keine “Georgier”, “Aserbeidschaner”, “Sunniten”, “Christen”, “Aleviten”, “Armenier” unter ihnen finden? Doch. Von allen gibt es welche. Alle haben sie eine Koalition gebildet. Diese Koalition ist weder eine der Geschwisterlichkeit, noch eine der Einheit der Völker… Diese Koalition ist die Koalition der Ausbeuter, Ehrlosen und Schurken. Sie sitzen am Hebel des Mühlrades, beuten unsere Völker aus, unterdrücken und morden sie… Ihre Religion, ihr Glauben, ihre Nationalität sind das “Geld”. Um das System aufrechtzuerhalten ermorden sie Türken genauso wie Kurden. Oder etwa nicht?
Es sind unsere Völker, die mit ihrer Arbeit und ihrem Schweiß alles produzieren und kreieren. Kann es zwischen denen, die alles mit ihrer Arbeit und ihrem Schweiß hervorbringen, die die eigentlichen Eigentümer aller Werte und alles Schönen sind, Hinterhältigkeit, Gegnerschaft oder Feindschaft geben? Nicht wirklich. Feindschaft und Unterdrückung sind die Methoden lediglich derjenigen, die sich die Früchte dieser Arbeit ohne selbst Arbeit zu leisten aneignen wollen. Feindschaft, Heuchelei, Separatismus, Provokation, Massaker und jede Art von Dreck sind ausschließlich ihnen zuzuschreiben.
Es liegt im Interesse der Völker, die Repression aufzuheben. Die Unterdrückung von Identität, Kultur, Sprache zu beenden.
Diese Koalition aus Räubern, die das Land an den Imperialismus verkauft und ihre Herren die Imperialisten aus dem Land zuschmeißen und das Vaterland zu befreien.
Eine der unverzichtbaren Bedingungen dafür ist die Einheit der In Anatolien und Trakien lebenden Völker. Genau wie im Befreiungskrieg…
Der Ort, an dem dies heute verwirklicht wird, sind die Reihen der Front. Die Front ist die Einheit und der gemeinsame Kampf aller unserer Völker. In den Reihen der Front kämpfen alle Völker für die Errichtung ihrer eigenen Macht. In den Reihen der Front sind alle Völker frei. Sprache, Kultur, Identität sind frei und kein Volk steht über dem anderen.
Diese Macht ist die Macht des Volkes. Weil nur unter der Macht des Volkes kann sich die Kultur und Sprache jedes Volkes entwickeln und breichert werden. Unter der Macht des Volkes hat der Staat die Verpflichtung, den Völkern in dieser Hinsicht jede Möglichkeit zu sichern. Kein Volk wird in dieser Staatsstruktur über den anderen stehen oder hegemonial sein. Sein Fundament ist die Geschwisterlichkeit und Freundschaft der Völker. Die Macht des Volkes zu errichten bedeutet, für alle unsere in Anatolien lebenden Völker, ein Leben in Geschwisterlichkeit und Freiheit zu sichern. Die Macht des Volkes ist Ausdruck dafür, daß sich unsere Völker die Regierung bei der Bewältigung aller ökonomischen, politischen, militärischen, kulturellen und sozialen Fragen teilen. Die Macht des Volkes ist die Befreiung der Völker. Die Front ist überzeugt, daß die Türkei, die Türkei aller in Anatolien und Trakien lebenden Völker ist.
Die Reihen der Front sind die Reihen der Geschwisterlichkeit der Völker.
Den Beweis dafür liefern hunderte von Gefallenen. Haydar, Sabo, Niyazi, Yemo…. Kurden. Bedii, Gülnaz, Halil Ibrahim, Kemal, Berdan, Devrim Yasar… Araber. Ali Tarik, Hasan, Murat, Mustafa, Idil, Müjdat… Türken. Sinan, Bahattin, Ayse… Lazen. Osman, Ahmet Fazil, Arslan… Georgier. Avni, Ismet, Ümit Dogan… Tscherkessen.
Sie waren Mitglieder des Zentralkomitees, Kommandanten, Kämpfer in den Reihen der Front.
Sie kamen aus verschiedenen Kulturen, Glaubensrichtungen und Nationalitäten in den Reihen der Front zusammen. Für die Befreiung des Volkes kämpften sie mit der Waffe in der Hand gegen den gemeinsamen Feind. Sie haben ihr Blut in den Boden Anatoliens fließen und die Hoffnung wachsen lassen.
Der Feind unserer Völker ist das System. Es ist das System, daß die Völker teilt, sie zu unterdrücken versucht, ausbeutet und Anatolien in ein Gefängnis verwandelt. Alle Völker sind Geschwister und dieser Boden gehört ihnen. Die Reihen der Front zeigen unseren Völkern Freund und Feind. Der Kampf der Front dagegen ist Ausdruck des Freiheit und Befreiung der Völker in dieser Geschwisterlichkeit.
Halk icin Kurtulus / Befreing fur Volk / Nr. 93 vom 8. August 1998