PKK – Woher sie kommt und wohin sie geht – Teil 1


Anmerkung:
Übersetzung aus Kurtulus Nr. 82, 23. Mai 1998, 1. Teil einer Serie über die PKK. Die Fußnoten werden erst am Ende der ganzen Serie geliefert. Wir bitten um Geduld.


 

Zu Beginn…

Ohne zu kritisieren, ohne zu diskutieren, ohne zu überprüfen (recherchieren) kann man nicht voranschreiten. die nationale Bewegung ist weit davon davon entfernt, eine Kritik und Analyse ihrer Taktik, Politik und der Strategie, die sie seit gestern bis heute verfolgt und verteidigt vorzunehmen. Pragmatismus ist dafür ein Hinderniss. Das Geplante wurde nicht verwirklicht, die Taktiken die einander offensichtlich widersprechen, das Dilemma, das der Krieg mit sich gebracht hat, werden fast nicht diskutiert. Die nationale Bewegung übt keine Selbstkritik und zieht daher auch keine Konsequenzen daraus. Man kann sagen, daß die Linke in der Türkei ihre Aufgabe zur Kritik gegnüber der nationalen Bewegung nicht erfüllt. Besser gesagt,ist sie weder in der Lage, sie zu unterstützen noch sie zu kritisieren.

Während die Oligarchie in den Jahren 1978 bis 1979 mit “Separatismus” Demagogie gegen die PKK angriff, unterstützte ein wichtiger Teil der Linken diesen Angriff, indem sie die PKK als agent provocateur und Konterrevolutionäre bezeichneten. Als die PKK im Jahr 1985 mit dem Guerillakrieg begann, bewahrten jene ihre Ansichten, und glaubten, daß der bewaffnete Kampf in kurzer Zeit eine Niederlage erleiden würde. Als die PKK an Kraft gewann, begannen sich diese Ansichten zu ändern. Einige wandelten sich zu Lobhudeleien. Deren Analyse über die sozio-ökonomischen Struktur in Kurdistan verfolgt eine ähnliche Linie. Als die PKK an Kraft gewann, gaben diejenigen, die gestern noch gemeinsam Kurdistan als eine Neokolonie bezeichneten, bekannt, daß Kurdistan eine Kolonie sei (1). Dabei spielte auch der Pragmatismus der PKK eine wesentliche Rolle. Zum Beispiel die verschiedenen Phasen der Politik von Aydinlik (2) sind sehr interessant.
Ende 1970 ist die PKK laut Aydinlik eine “Provokateurin”. Aydinlik veröffentlichte die Namen der PKK-Aktivisten.
Im Jahr 1985 fing der bewaffnete Kampf an. Bei der Zeitschrift Sacak, die von Aydinlik mit der Erlaubnis der Junta herausgegeben wird, ist der Name von PKK “Soldatenkiller”, “Terroristen”.
Ende der 80er Jahre werden wir Zeuge, wie Dogu Perincek, der Verantwortliche für diese Feststellung, mit einer militärischen Zeremonie in einem PKK-Ausbildungslager empfangen wurde. In dieser Phase ist die PKK laut Aydinlik “Patriotin”.
Dann begegnen wir wieder dem bekannten konterrevolutionären Gesicht von Aydinlik. Perincek, der gegen die PKK mit Verleumdungen und Schmierereien angriff, begann in dieser Zeit zu schreiben, daß die PKK “unter dem Einfluß der USA steht”.
Bei der Linken in der Türkei gibt es auch viele Meinungsschwankungen in bezug auf die PKK, wenn auch nicht so viel wie oben erwähnt.
Die TKP-ML hat die PKK einmal als konterrevolutionär ein anderes Mal als revolutionär bezeichnet. Diese Bezeichnungen wechslten von Zeit zu Zeit. Die TDKP und die anderen pro AEP-Linken bezeichneten die PKK meistens als agent provocateur und konterrevolutionär. Als die PKK an Kraft gewann, ließen sie diese Behauptung fallen. Dafür hat es jedoch nie eine ernsthafte Selbstkritik ihrerseits gegeben.
Letztendlich ist das Ergebnis folgendes: der nationalen Bewegung wurde weder rechtzeitig die nötige Unterstützung gegeben noch wurde an ihr die nötige Kritik geübt.
Wir können ohne zu zögern sagen, daß die Front die einzige Ausnahme davon ist.
In einer Zeit, wo die Oligarchie und fast die ganze Linke die PKK mit der “Separatismus” Demagogie angriff, wenn auch mit anderen Worten, bekannte sich und verteidigte Devrimci Sol die PKK als eine nationale Bewegung. Als der Guerillakampf im Jahr 1985 begann, setzte sie die gleiche politische Unterstützung fort.
Als die Oligarchie in den Jahren 1984 und 1986 die brutale Operation gegen die PKK und das kurdische Volk fortsetzte, setzte Devrimci Sol ihre ganze organisatorische Kraft und Möglichkeiten ein und führte Aktionen gegen damalige ANAP-Regierung durch, um zu zeigen, daß das kurdische Volk nicht allein ist.
Seitdem wurde sowohl bei der gerechten Forderung des kurdischen Volkes, sich einzusetzen und zu verteidigen, als auch bei der Unterstützung der kurdischen nationalen Bewegung ohne zu zögern bis heute die gleiche Linie verfolgt. Zur gleichen Zeit wurden die Fehler der nationalen Bewegung auf der Grundlage der Interessen des Volkes und der Revolution kritisiert. Der Ausgangspunkt dieser Kritik war die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes unserer Völker.
Um die Kritik und Analyse richtig zu begreifen, die wir hier anführen werden, muß die Herangehensweise der Front in diesem Prozeß richtig erkannt werden.
Es ist offensichlich, daß die PKK heute eine Organisation ist, die die Tagesordnung der Politik in der Türkei bestimmen kann. Sie ist eine Kraft, die einen Guerillakampf mit Tausenden von Gefallenen führt. Aber die Größe einer Kraft schützt diese nicht vor Kritik. Doch wenn das so ist, dann entsteht ein falsches Bild, wie man an den bereits erwähnten Beispielen sehen kann.
Eine revolutionäre Bewegung in einer Phase aus diesen oder jenen Gründen verliert an Kraft oder umgekehrt eine Bewegung kann unter bestimmten Bedingungen sehr stark erscheinen.

JA, DIE PKK HAT GEKäMPFT UND IST ZU EINER KRAFT GEWORDEN, ABER DIE EIGENTLICHE FRAGE IST: WOHIN GEHT SIE?

Heute sagt die PKK einige neue Sachen. Zum Beispiel sagt sie, daß “sie sich in die Türkei integrieren will”. Was sind die positiven und negativen Seiten daran, in welchem Maß sind die Argumente konsequent und verständlich? Was ist aus früheren Thesen geworden?
Die PKK hat bis heute der Linken in der Türkei alles mögliche vorgeworfen. Was sind die Gründe für diese Intoleranz?
Die falsche Aktionslinie und die daraus resultierenden negativen Folgen wurden trotz aller Kritik und Warnungen beibehalten. Warum beharren sie darauf?
Was bedeuten Frieden, das Niederlegen der Waffen und die Kompromisse mit der Oligarchie, die sie seit Jahren zu erreichen versuchen? Wie steht das im Verhältnis zu den anfänglichen Zielen der PKK? Es gibt noch mehr solche Fragen.
Der kurdische nationale Kampf hat seit dem Aufschwung von 1984, auch wenn einige Fehler in der Aktionslinie negative Folgen hatten, hauptsächlich eine positive, vorantreibende Funktion gehabt. Die Linie, die sich Ende 1991 klar abzeichnete, und bis heute verfolgt wird, ist allen Anzeichen nach falsch.
Diese Entwicklung kann nicht so betrachtet werden, als ob sie nur die Kurden und die PKK betrifft. Die historische Vergangenheit und Zusammengehörigkeit des türkischen und kurdischen Volkes beeinflussen auch die Beziehungen und Entwicklungen aller anderen anatolischen Völker. Die PKK sagte noch in den letzten Monaten von 1991 über die Notwendigkeit, den Kampf von Kurdistan in die Metropolen der Türkei hinein zutragen, zu sehen ist, der in der Türkei und in Kurdistan vom Volk geführte, nationale Kampf und der Klassenkampf habe ein “gemeinsames Schicksal”. Selbst das zeigt, daß die Befreiung und daher auch die Organisierung der beiden Völker gemeinsam erreicht werden muß.
Wie die Beispiele der Geschichte des nationalen Kampfes und des Klassenkampfes auf der Welt gezeigt haben, werden auch die Revolutionäre in der Türkei Zeugen der Beispiele dafür, wie eine Bewegung ihre Linie ändert oder von ihrer anscheinenden Linie zu ihrer wahren Linie kommt.
Die PKK entstand in den 70er Jahren, beeinflußt von der revolutionären Bewegung in der Türkei und dem Sozialismus, dessen Prestige zu dieser Zeit sehr groß war, als eine Mischung aus Marxismus-Leninismus, Sozialismus und Nationalismus. Ende der 80er Jahre rückte aber der kleinbürgerliche Nationalismus in den Vordergrund.
Wenn man bedenkt, daß eine patriotische Bewegung auf Grund von Kompromissen mit der Oligarchie die Waffen niederlegt und anstatt über die Unabhängigkeit über eine Föderation mit der Oligarchie der Türkei verhandelt, erkennt man, daß die Entwicklung der PKK nicht den Interessen der Völker der Türkei dient. Es war für die Marxisten-Leninisten keine Überraschung und vorauszusehen, wie die PKK von ihren anfänglichen Behauptungen und Zielen zu dem heutigen Standpunkt kam. Das Ergebnis dieser Entwicklung wird analysiert, um daraus eine Lehre zu ziehen.
Das Verständnis der PKK von nationaler Unabhängigkeit und bewaffnetem Kampf und ihr heutiger Zustand Die PKK wurde 1978 gegründet, aber ihre ideologische Gestaltung begann Anfang der 70er Jahre. Die PKK nennt diesen Prozeß zwischen 1973 und 1978 “die Epoche des ideologischen Kampfes und der Rückkehr ins Land” und die Zeit von 1978 bis 1980 “den Prozeß der Parteiwerdung und Gründung”. Die Bedingungen in bestimmten Phasen, die die Gestaltung und Entwicklung der politischen Linie fast aller politischen Bewegungen beeinflussen, hatten auch einen bestimmenden Einfluß auf die PKK.
Der Übergang der osteuropäischen Länder ab Ende der 40er Jahre zum Sozialismus und der Sieg der Volksbefreiungskämpfe in vielen Ländern vergrößerte das Prestige des Sozialismus in einem großen Maß. Daß der Sozialismus durch seine weltweite Rolle zur Hoffnung auf Befreiung der unterdrückten Völker wurde, beeinflußte die politischen Strukturen von nationalistischen politischen Bewegungen. In dieser Phase bezeichneten sich fast alle nationalistischen Bewegungen als Sozialisten, jene, die an die Macht kamen, knüpften Kontakte mit den sozialistischen Ländern und riefen eine vom Sozialismus beeinflußte Politik ins Leben.
Die Türkei schloß sich auch dieser Entwicklung an, insbesondere in den Jahren von 1960 bis 1970 breiteten sich marxistisch-leninistischen Anschauungen aus und in Zusammenhang damit konnte man eine Loslösung von Revisionismus und Reformismus beobachten. Die Organisationen, allen voran die THKP-C (Volksbefreiungspartei-Front der Türkei), THKO (Volksbefreiungsarmee der Türkei) und TKPML, die sich in diesen Jahren im ideologischen und im praktischen Kampf formierten, haben durch ihren Kampf den Status quo erschüttert, der Oligarchie Schläge versetzt und so die Sympathie und Unterstützung der breiten Massen gewonnen.
Die faschistische Junta vom 12. März 1970 hat zwar die bewaffnete, revolutionäre Bewegung physisch liquidiert, aber nach 1973 reorganisierte sich das Potential, das durch den bewaffneten Kampf der THKP-C entstanden war, auf der Grundlage ihrer These “Der Weg der Revolution in der Türkei”. In der Broschüre “Der Weg der Revolution in Kurdistan” (1978), die fast alle Ansichten der PKK beinhaltet, sind die Spuren dieser Phase klar erkennbar. Die Begriffe “Klassengesellschaft”, “Sozialismus”, “Neokolonialismus” und “Unabhängigkeit”, die heute nicht erwähnt werden, kommen in dieser Broschüre öfters vor.
Die großen Sympathien der Völker der Welt für den Sozialismus; die fortgesetzte Unterstützung der UdSSR für die nationalen Befreiungsbewegungen; die Stärke des internationalistischen Geistes; die Folgen des unter der Führung von Mahir (THKP-C) geführten bewaffneten Kampfes und auch die Richtlinie der THKP-C, THKO und TKP/ML bei der “kurdischen Frage” und die richtige Politik in der Frage des Selbstbestimmungsrecht der Nation; das, was die PKK heute “Kemalismus”, “Sozialchauvinismus” usw. nennt; all das hatte Einfluß auf die PKK. Dieser Einfluß bestimmte auch den Unterschied der PKK zu anderen kurdischen nationalistischen Organisationen. Die Verteidigung der völligen Unabhängigkeit, die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes zur Erringung der Unabhängigkeit unter der Führung des Proletariats sind die grundlegenden Unterscheidungspunkte. “Die Bedingungen, die sich nach dem 2. Verteilungskrieg herauskristallisierten… zeigten den inkonsequenten und versöhnlichen Charakter der bürgerlichen Führung bei der Revolution in den Kolonien und machten offensichtlich, daß die völlige Unabhängigkeit nur unter einer proletarischen Führung, die sich auf die werktätigen Massen stützt, erreicht werden kann…”.(2)
In den späteren Jahren wurde dieser Einfluß von der PKK geleugnet, z. B. wurden die Schriften von Mahir über die kurdische Frage und Misak-i-Milli (die heutigen Grenzen, die das kurdische Gebiet zwischen verschiedenen Staaten aufteilen) ignoriert und die Verteidiger der Front-Linie (die Nachfolger der THKP-C) wurden als Misak-i-Milli-Befürworter kritisiert. Doch der heutige Standpunkt der PKK ist nicht anders als der, den die Front schon vor 30 Jahren vertreten hat.

DIE PKK VERURTEILT DEN REFORMISMUS

Die PKK, die ausgehend von dem Prestige des Sozialismus, von der “aktiven Unterstützung” der sozialistischen Länder und vom “Heranreifen” der objektiven Bedingungen der Revolution für die nationale Befreiung, die Notwendigkeit der proletarischen Führung für “die völlige Unabhängigkeit” verteidigte, grenzt sich vom Reformismus mit diesen Feststellungen ab und sagte, daß der Reformismus ein Hindernis für die nationale Befreiung sei. “Nachdem die Befreiungsbewegungen zu einer bedeutenden revolutionären Strömung unseres Zeitalters geworden waren, erlebten wir auch die Entwicklung verschiedener Abweichungen…die bürgerlichen Ideologen sind völlig entlarvt, deshalb werden sie von den Volksmassen nicht unterstützt. Dies führt dazu, daß diese Tendenzen sich als Sozialismus zu verkaufen versuchen”.(3)
“Der klare Charakter der Reformen in der imperialistischen Epoche ist, daß sie die Rolle als Werkzeug zur Verhinderung der Erreichung der Unabhängigkeit der Völker erfüllen”.(4)
Die PKK, die derzeit diese Feststellungen machte, ging noch weiter und zog eine klare Trennlinie zwischen sich und dem Reformismus: “Für die nationalen Befreiungsbewegungen sind alle Tendenzen außer der Unabhängigkeit Reformismus und alle reformistischen Ansätze werden von denjenigen vertreten, die eng mit dem Imperialismus, dem Kolonialismus und der einheimischen Reaktion verbunden sind”.(5)
Des weiteren wird die Identifizierung der Reformisten mit dem Nationalismus der unterdrückten Nation betont:
“…alle Ansichten, die besagen, daß mit der Verwirklichung einiger Reformen in einer Kolonie die Frage der Unabhängigkeit gelöst werden kann und nicht in der Lage sind, aufzuzeigen, daß die Lösung der Frage in der Revolution und in der nationalen Unabhängigkeit liegt, beinhalten einen Nationalismus und Chauvinismus, der sowohl von der unterdrückenden als auch von der unterdrückten Nation ausgeht und dienen so zur Legitimation des Kolonialismus…”(6)
Wenn wir die PKK, die die Ansicht vertritt, nicht für Reformen sondern für die Revolution zu kämpfen, und ihren Kampf vor 1980 betrachten, sehen wir, daß sie keine Taktik verfolgte, die den Staat zum Ziel hatte und folglich auch keine Praxis ins Leben rufen konnte. Der bewaffnete Kampf der PKK begann eigentlich im August 1984. Sie nahmen vor 1980 am antifaschistischen Kampf nicht ernsthaft teil. Die PKK verließ die Kampfarena mit der Verhängung des Ausnahmezustandes nach dem Massaker in der Stadt Maras (24. Dezember 1984). Mit ihren Worten “hicret” (Rückzug ins Ausland).

DER RÜCKZUG

Die PKK, die 1978 ihre Gründung offiziell bekanntgab, verlor ein Jahr später an Kraft und erlitt eine psychologische Niederlage. Sowohl die Operation der Oligarchie und die Verräter aus ihren eigenen Reihen, als auch die Auseinandersetzung innerhalb der Linken, bei der viele Menschen ihr Leben verloren, brachten die PKK in diesen Zustand. An diesem Punkt sah die PKK als einzigen Ausweg aus dieser Sackgasse die Flucht ins Ausland. Der Boden des Landes wurde verlassen.
“Wir dachten, wenn wir im Lande geblieben wären, könnten wir ein oder zwei Monate überleben, aber dann wären wir erstickt. Unsere Rückzug ins Ausland ist ähnlich wie der Flucht von Mohammed aus Mekka nach Medina. Zu dieser Zeit wurde Mohammed in die Ecke getrieben, wenn er noch eine Nacht dort geblieben wäre, wäre er auch erstickt. Unser Rückzug war genauso, wenn wir dort geblieben wären, wäre dasselbe mit uns passiert…”(Abdullah Öcalan, Serxwebun, Mai 1990 Ausgabe 101, Seite 104).
Bei einer späteren Bewertung verband die PKK ihren Rückzug mit der Gewalt der Oligarchie, die direkt gegen sie gerichtet war. Das ist nichts anderes als Geschichtsrevisionismus. Die Bewertung der PKK, die ihre Gründung im November 1978 offiziell bekanntgab, über das Massaker in Maras im Dezember 1978 ist ein charakteristisches Beispiel für revisionistische Geschichtsschreibung: “…Maras war ein Ort, in dem unsere Partei aktiv war, unsere Partei hat eine Bewertung über das Massaker in Maras… es war absolut eine Antwort des Faschismus auf das Bewußtsein, das wir geschaffen hatten” (Die Geschichte der PKK)
Die PKK versucht, nachdem sie eine bedeutende Kraft geworden war, mit dem extremsten egozentrischen Verständnis alle Entwicklungen zu der Zeit in Zusammenhang mit sich bringen. Das Massaker von Maras und daraus folgend die Verhängung des Ausnahmezustandes und der erzwungene Rücktritt von Ecevit werden als in Zusammenhang mit der PKK stehend beschrieben. Aber in den Jahren, in denen der Klassenkampf in unserem Land zunahm, war die PKK noch keine ernsthafte Kraft, sie war eine Organisation, die Schwierigkeiten hatte, ihre organisatorische Struktur aufrechtzuerhalten. Wie dem auch sei, in einer anderen Stelle des Buches von der Geschichte der PKK, in dem die obige Bewertung gemacht wird, wird die wirkliche Situation beschrieben.
“Als wir 1978/79 unsere Gründung bekanntgaben, hatten wir keine Menschen, die wir einsetzen konnten. Aus diesem Grund haben wir den Rückzug und eine Vorbereitungsphase von sechs Jahren erlebt”.
Vor 1980 hat die PKK weder ihre Aufgabe zum antifaschistischen Kampf richtig erfüllt noch entwickelte sie einen Kampf, der sich gegen den Staat richtete. Sie konnte nicht in den Prozeß eingreifen, folglich verlor sie an Kraft und ging ins Ausland. Wenn man die wahren Gründe dieses Kraftverlustes analysiert, wird man auf die Auseinandersetzung der PKK mit der restlichen Linken stoßen. Anstatt diese festzustellen, ziehen sie es vor, den Rückzug mit der subjektiven Bewertungen des Massakers von Maras “rechtzufertigen”.
Der Rückzug verlief auch nicht planmäßig. Die Ereignisse nach dem Putsch vom 12. September in den Gefängnissen und im Ausland, zeigten, daß sich die PKK offensichtlich in dieser Phase in einem allgemein demoralisierten Zustand befand. Nach einer bestimmten Vorbereitungsphase kehrte die PKK ins Land zurück, begann mit dem bewaffneten Kampf und erzielte bedeutende Erfolge. Doch das reichte nicht aus, um ihren damaligen Rückzug ins Ausland zu legitimieren. Denn die Logik, die diesen Rückzug erklärt, ist sehr verdreht. Diese Logik ging soweit, daß sie die physische Niederlage des bewaffneten Kampfes von 1971 damit verband, daß sie selbst die Kriegsarena vorher nicht verlassen hatten. Der bewaffnete Kampf von 1971 durchbrach die reformistische und revisionistische Tradition und ebnete den Völkern der Türkei den Weg zur Befreiung:

” Meiner Meinung nach war die Organisierung im Ausland zu dieser Zeit auch nötig. Wenn wir die palästinensische Realität gut bewertet hätten (die Möglichkeit der Ausbildungslager nutzen, Anm. d. Übersetz.), uns nicht beeilt hätte und unsere Erfahrung in dieser Zeit von 1970 mit Geduld in die Praxis umgesetzt hätten, hätten die Revolutionäre in der Türkei die Niederlage gegen den Faschismus vom 12. März 1971 nicht erlitten.

(…) Mahir Cayan (THKP-C) und seine Freunde wollten den bewaffneten Kampf im Lande verwirklichen. Deniz Gezmis und seine Freunde (THKO) waren eher Militante mit einem engen Horizont und waren erfolglos. Sie sagten:” Denn wenn wir fliehen, sind wir keine Helden.”. Das war eine kurzsichtige Herangehensweise ohne Sicherheitsmaßnahmen. Dadurch verpaßte man eine wichtige Gelegenheit.” (Ausgewählte Schriften Abdullah Öcalan, Seite 212) Der Vorsitzende der PKK legitimiert ihren Rückzug, indem er die Epoche von 1971 leugnet. Diese von der PKK kritisierte Praxis, abgesehen von allem anderen, ist der Bruch mit der revisionistischen, reformistischen Tradition, die Verwurzelung des bewaffneten Kampfes und die Wegbereitung der Revolution in der Türkei. Wenn die Führer von 1971 unter den Bedingungen dieser Zeit die Kampfarena verlassen hätten, wären weder Kizildere (großer Widerstand) noch politischen Ergebnisse entstanden. Vielleicht hätte es auch die kurdische nationale Bewegung nicht gegeben, welche auch ein Ergebnis des bewaffneten Kampfes von 1971 ist.

DER PUTSCH VOM 12. SEPTEMBER UND DIE PKK

Während des Putsches war die PKK im Lande fast nicht aktiv, denn 1979 war sie schon längst im Exil. Deshalb hatte sie auch kein Programm für den Widerstand gegen den Putsch, ihre Bewertung dieser Phase ist widersprüchlich und inkonsequent:
“…Für den Sieg des Faschismus beim Putsch vom 12. September war die Liquidation unseres nationalen Befreiungskampfes unter der Führung der PKK notwendig. Das ist eindeutig nachgewiesen. Ziel war es, unsere Bewegung für immer zu vernichten.” (Ausgewählte Schriften 4, Seite 82) Eine andere Feststellung zu dieser Phase ist folgende:
“Als der militärische faschistische Putsch an die Macht kam, war unserer Bewegung aufgrund der organisatorischen Struktur nicht in der Lage, den Kampf voranzutreiben. Wir hatten eine organisatorische Krise. In so einer Situation konnte man nicht gegen einen Putsch kämpfen. Es war auch zu sehen, daß die andere Linke nicht in der Lage war und nicht vorhatten, gegen den Putsch Widerstand zu leisten. Deshalb konzentrierte sich die Bewegung darauf, Kraft zu sammeln, und sich auszubilden. Um das zu verwirklichen, ging man ins Ausland.” (Özgür Halk 15. Dezember 1993, Seite 13) Die PKK verließ das Land noch Mitte 1979 und stellte alle ihre Aktivitäten ein. Deshalb ist es nicht objektiv, zu sagen, daß der Putsch nur stattfand, um die PKK zu vernichten.
“Keiner hatte vor, zu kämpfen. Unsere Situation war auch nicht günstig”. Das ist eine Rechtfertigung, die später erfunden wurde, um ihren Rückzug aus dem Land zu erklären. Es ist offensichtlich, daß die PKK zu dieser Zeit weder die Kraft noch die Absicht hatte, zu kämpfen. Trotzdem gab es welche, die Kämpften.
Der Putsch vom 12. September 1980 war für die Revolutionäre und die patriotischen Bewegungen in der Türkei eine Prüfung, die zeigte, wer in dieser Phase wirklich revolutionär war oder nicht, wer alles riskierend gegen den Faschismus kämpfte, wer den Kampf aufgab und wer es vorzog, ins Ausland zu gehen. Von denjenigen, die vor 1980 für den Kampf vielversprechend waren, hörte man während des Putsches nicht viel. Einige, die den Putsch kommen sahen, gingen ins Ausland, jene, die davon überrascht wurden, verließen nach einer kurzzeitigen Verwirrung auch das Land. Die PKK war unter denen, die zuallererst das Land verließen. Die Tatsache, welche die Jahre bewiesen haben, sind folgende: die Linke zog sich nicht zurück, weil sie eine Niederlage erlitten hatte, sondern erlitt die Niederlage, weil sie sich zurückgezogen hatte. Die Niederlage vom 12. September ist hauptsächlich die Folge dieses Rückzugs und der Flucht ins Ausland. Die PKK trägt auch die Verantwortung für diese Niederlage.

DIE FRONT IM AUSLAND UND DIE PKK

Die am 1. Juni 1980 im Ausland gegründete Vereinigte Widerstandsfront gegen den Faschismus stand hauptsächlich unter der Führung der PKK und Devrimci Yol (Revolutionärer Weg). Diese Front im Ausland existierte nur auf dem Papier, ihre Praxis ging nicht über das Veröffentlichen von Flugblättern hinaus.
In den Dokumenten des 2. Kongresses sagte die PKK folgendes über die Vereinigte Widerstandsfront gegen den Faschismus:
“Mit der aktiven Beteiligung unserer Partei und der Teilnahme von insgesamt 9 Organisationen ist diese Front dem Programm nach eine Kampffront, für die es keine andere Alternative gibt. Es ist ein historischer Schritt bei der Schaffung eines revolutionären Bündnisses der Völker der Türkei und Kurdistans. Wenn die Front ihre Aufgaben mit Erfolg erfüllen kann, wird sie die grundlegende Rolle beim Kampf für den Sturz der kolonialistischen, faschistischen Diktatur und bei der Befreiung der Völker der Türkei und Kurdistans spielen.”

(Dokumente des 2. Kongresses, Seite 49) Die PKK sah Kurdistan vor dem 12. September als ihr Eigentum und ignorierte die Existenz von revolutionären und demokratischen Kräften. Sie bezeichnete viele Gruppen als “Konterrevolutionäre” und bei den bewaffneten Auseinandersetzungen mit diesen floß das Blut vieler Revolutionäre. Bis zu diesem Zeitpunkt bemühte sich die PKK nicht um die Einheit, aber sie bemühte sich um die Gründung dieser Front, um nach der Niederlage die Kräfte zu sammeln und ihr gestörtes Verhältnis zu der Linken zu verbessern, um sich selbst als “Vertreter von Kurdistan” zu legitimieren. Die sich dem gemeinsamen Kampf und der gemeinsamen Revolution widersetzende PKK behauptete, daß die Macht mit der Front im Ausland gemeinsam errungen werden kann. Was hat sich geändert? Da sich die ökonomische, soziale und kulturelle Struktur des Landes nicht geändert hat, oder keine Änderung stattgefunden hat, die die Strategie der Revolution beeinflussen wird, was bedeutete dann der Aufruf zum Aufbau einer Front für die revolutionäre, demokratische Macht der Völker der Türkei und Kurdistans? Diese Fragen wurden weder zu dieser Zeit noch später beantwortet. Aber diese nicht gegebene Antwort war nichts anderes, als die Anstrengung, die Schwäche der an dieser Front teilnehmenden Organisationen zu verdecken. Das Ziel war zu verdecken, daß sie vor dem Kampf geflohen waren und als Flüchtlinge im Ausland lebte. Warum sich die Front im Ausland, die mit dem Land und dem Volk nichts zu tun hatte, auflöste und was ihre Praxis war, wurde weder von der PKK noch von anderen jemals erklärt.
Der Aufschwung von 1984 und die Entwicklung der Guerilla Der bestimmende Faktor bei dem nationalen Erwachen des kurdischen Volkes ist dieser Aufschwung von 1984.
“Die Operationen der kurdischen Befreiungseinheiten am 15. August 1984 in Eruh und Semdinli-Catak sind die ersten Funken des nationalen Befreiungskampfes. In einer Zeit, wo die Junta sagte, daß sie den Terror für immer beseitigt hätte, hat dieser Aufschwung der türkischen und kurdischen Revolutionäre bei den Völkern große Begeisterung ausgelöst. So betrachtet, hatten die Guerillaaktionen vom August 1984 ohne Zweifel eine historische Bedeutung.
“Im Jahr 84/85 sind wir noch einen Schritt weiter gegangen und haben den Mut gezeigt, unseren Kampf in eine weitere Phase zu bringen. Die am 15. August abgefeuerten Waffen waren ein Ereignis, das zum ersten Mal in der Geschichte Kurdistans verwirklicht wurde. Es war gleichzeitig auch die schwierigsten Zeiten…” (ebd. Seite 15)
In Wirklichkeit wollte man noch früher ins Land zurückkehren und den Guerillakampf beginnen. Aber genau an diesem Punkt waren die Folgen des zweijährigen Rückzugs zu spüren. Der kampflose Rückzug und das Alleinlassen des kurdische Volk nach dem Ausnahmezustand und mit den Bedingungen vom 12. September und ihre Emigration hatte einen sehr großen Einfluß auf die Reihen der PKK. Die für 1980/81 geplante Rückkehr verschob sich auf 1983 und der Beginn des Guerillakampf auf August 1984. Inzwischen wurden als Folge des gleichen Einflusses wiederum die Gründe der Niederlage und der negativen Stimmung woanders gesucht, z.B. bei der Nichterreichung der Einheit und man wollte das mit der Front im Ausland “beseitigen”. Die Organisierung im Ausland, insbesondere die Ausbildungslager, die Auswahl der Region als Hinterland, das unter der Kontrolle von Barzani (Kurdische Demokratische Partei im Irak) steht waren wichtige Faktoren für die Vorbereitung des Aufschwungs. Die jahrelange Einschüchterung des kurdischen Volkes, die Zunahme des Terrors nach den Guerillaoperationen und das Mißtrauen des Volkes, das alles lag zum Teil an den Bedingungen des Landes, aber auch teilweise daran, daß die PKK 1979 das Land verlassen hatte. Die Wahl der Region Botan als Aktionsgebiet, wo sie vorher nicht aktiv war, hatte zur Folge, daß die Guerilla Verluste erlitt (für eine Bewertung kann man die Zeitschrift Serxwebun, August 1989, Sonderausgabe 15, Seite 30 lesen). Im Jahr 1986 kämpfte die PKK ums Überleben. Genau an diesem Punkt rettete das Festhalten am Kampf und das Nichtfürchten vor Verlusten die Guerilla und ebnete den Weg für ihren Kampf. Je kontinuierlicher der bewaffnete Kampf wurde, desto größer wurden die Unterstützung und die Sympathien des Volkes. Die Verluste nicht zu fürchten und am Kampf festzuhalten, sind wichtige Lehren der Praxis der PKK, die von allen revolutionären Bewegungen ernst genommen werden müssen. Am Anfang schien es, daß die Oligarchie den Kampf der PKK nicht ernst nahm und leugnete. Aber das Festhalten der PKK am Kampf führte dazu, daß diese Politik des Leugnens scheiterte. Die Oligarchie mußte die Realität des Kriegs in Kurdistan erkennen und eingestehen, daß sie die Guerilla nicht in kurzer Zeit beseitigen würde können.

“Für ein freies Stück Vaterland”

Im Jahre 1985 wurde die Gründung der ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) und 1988 die Umwandlung der HRK zur ARGK (Volksbefreiungsarmee Kurdistans) bekanntgegeben. In dieser Phase setzte die Guerilla ihre Entwicklung fort und gewann die Unterstützung des Volkes zurück. Am 3. Kongreß der PKK im Jahre 1987 wurde der Beschluß “Die Bewegung des Marsches zur Freiheit” gefaßt. Das ist ein neuer Aufschwung und die PKK setzte sich das Ziel, in Botan ein “befreites Gebiet” zu schaffen, das “ein Stück freies Vaterland” symbolisieren sollte. Die PKK formulierte im Jahre 1988 auf der Basis dieses Beschlusses die Losung “Greife an, zerstöre und vernichte, was dem Feind gehört, baue an Stelle dessen etwas, das die nationale Befreiung symbolisiert”. (Serxwebun, Juli 1988, Seite 79) In dieser Phase erzielteman Erfolge mit der Institutionalisierung des “Wehrpflichtsgesetz”, an welchem dann später Selbstkritik geübt wurde. In den PKK-Schriften dieser Zeit kommt zum Ausdruck, daß mit der Beteiligung von hunderten Menschen bei der Bewegung der Armee große Schritte unternommen wurden und begonnen wurde, in Botan Brigaden zu bilden. Aber nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß diese Entwicklung die Sackgasse des Guerillakampfes der PKK beinhaltete. Der Guerillakampfstrategie der PKK nahm des vietnamesischen Volkes als Vorbild. Die Vorstellung von “befreiten Gebieten” war ein Produkt der Losung “ein Stück freies Vaterland” und wurde in diesem Rahmen formuliert. Aber in diesem Punkt entstand der Widerspruch zwischen der Realität der Türkei und Kurdistans und der Volkskriegsstrategie der PKK.

Obwohl jedes Jahr wiederholt wurde: “dieses Jahr werden wir ein Stück freies Vaterland haben”, wurden die befreiten Gebiete nie verwirklicht. Im Zusammenhang damit konnte wiederum die Volksorganisierung nicht ins Leben gerufen werden. Obwohl es Anfang 1990 ein sehr breites Potential in der Türkei und in Kurdistan gab, gab es keine dementsprechende Volksorganisation, in der sich dieses ausdrücken hätte können. Die gleiche Losung hat man immer wieder wiederholt, ohne zu analysieren, warum die befreiten Gebiete 1987 und danach nicht verwirklicht wurden und ohne die Folgen der daraus resultierenden militärischen Sackgasse zu untersuchen, welche den Krieg allmählich negativ beeinflußten. (die einzige Antwort auf die Frage darauf, warum sie nicht verwirklicht worden sind, ist nicht, daß die Strategie des Volkskrieges falsch wäre, sondern es gibt andere Gründe dafür, die wir später anführen werden)

AN KRAFT GEWINNEN UND GLEICHZEITIG SCHWäCHER WERDEN

Die PKK gewann an Kraft, weil sie seit dem 15. August 1984 trotz aller Schwierigkeiten bis heute am bewaffneten Kampf festgehalten hat. Sie propagierte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein “unabhängiges, freies Kurdistan” und sicherte sich die Unterstützung und Beteiligung des kurdischen Volkes im Kampf gemäß dem nationalen Bewußtsein, das sich bei der kurdischen Nation entwickelt hatte.
Sie wurde trotz Tausender Gefallener und mit dem “Unabhängigkeitsziel” anfang der 90er Jahre gegenüber der Oligarchie eine ernst zunehmende Kraft. Aber mit der Politik, die sie zur gleichen Zeit auf die Tagesordnung brachte, erlebte sie leider politisch die schwächste Phase, obwohl sie stark zu sein schien. Trotz der Stärke ihrer Guerilla und der Unterstützung durch die Massen enfernte sich die PKK von dem Ziel Unabhängigkeit und verließ sich auf die Lösungen innerhalb des Systems. Somit wurde sie auch politisch immer schwächer. Die Gründe, die die PKK rasch zu Kompromissen führten, muß man in Zusammenhang mit ihrem Klassencharakter sehen und sind folgende: ihr Ausgangspunkt war nicht der Marxismus-Leninismus, sie besaß nicht den Klassenstandpunkt des Proletariats, der Sozialismus, der die PKK bei ihrer Entstehung beeinflußte, verlor als System an Kraft und Prestige.

Mag sein, daß wie die PKK sich selbst bezeichnet oder wie andere sie bezeichnen, die theoretischen Feststellung der PKK von der historischen Entwicklung der Kurden bis zur Bündnispolitik, vom Verständnis von Sozialismus und Revolution bis hin zu ihrem endgültigen Ziel und ihrer Entwicklung, ihre grundlegende theoretische Herangehensweise, Ausdruck ihrer nationalistischen Seite sind. Die PKK behauptete, daß sie die Mission hat, den Marxismus-Leninismus, d.h. den Sozialismus “vom Boden der Türkei auf den Boden Kurdistans zu übertragen”. Aber die Unklarheiten ihrer Ansichten in Bezug auf den Sozialismus bestehen von ihrer Gründung bis heute. Der Grund dafür ist, daß sich die PKK als grundlegendes Ziel weniger den Sozialismus als die Befreiung der kurdischen Nation gesetzt hat. Wenn wir die Feststellung von Lenin “ohne die revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben” (9) oder “umgekehrt” die Feststellung von Engels “es ist im Allgemeinen richtig, daß das offizielle Programm einer Partei für die Praxis dieser Partei weniger wichtig ist” für die PKK anwenden, dann können wir folgendes sagen: Die theoretische Literatur der PKK zumindest am Anfang einen sozialistischen Inhalt hat, basiert sie nicht auf dem Marxismus-Leninismus; wenn bei ihrem Programm Sozialismus ein Ziel ist, widerspricht die Praxis diesem.

DER WENDEPUNKT

Die PKK, die sich ein “unabhängiges” Kurdistan zum Ziel gesetzt hatte, erlebte ab 1990 eine Krise. Diese Krise ist auch nicht überraschend für den kleinbürgerlichen Nationalismus. Wie bei den Erfahrungen, die auf der ganzen Welt erlebt werden, zu sehen ist, hat die kleinbürgerliche Nationalismus niemals die Völker zur wahren Befreiung geführt. Entweder ist man vor der Eroberung der Macht mit dem Imperialismus Kompromisse eingegangen oder man unterwarf sich trotz der Machtübernahme dem Imperialismus.
Die kontroversielle Welle, die in den 90er Jahre im sozialistischen System entstand , verursachte, daß viele Organisationen nach rechts und nach links abweichten. Die PKK wurde auch von dieser Entwicklung beeinflußt. Sie entfernte sich rasch vom Sozialismus und näherte sich dem Nationalismus an. Somit enzwickelte sich der kurdische Nationalismus trotz seiner Fortschritte zurück. Mit ihrer Kolonialismustheorie behinderte sie den gemeinsamen Kampf der Völker, und schwächte die Völker gegenüber der Oligarchie. Die PKK erlebte die Folgen der Lokalisierung des Kampfes in einer Region. Das Ziel “Unabhängigkeit” wurde ersetzt durch die Begriffe “Föderation”, “Kompromisse”, “politische Lösung”, “Frieden” und “Waffenruhe”. Die Guerilla erfüllt jetzt nur noch bei den Verhandlungen eine Funktion. Die PKK erwartet sich heute eine politische Lösung von bürgerlichen Parteien, TÜSIAD (Arbeitgeber -und Unternehmerverband) und MGK. Anstatt sich aus dieser Krise zu retten, die Strategie und Taktik zu überprüfen und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen, tappt die PKK im Namen der politischen Lösung in eine Kompromißfalle, was bei den Völkern Besorgnis erregte. Es wird unvermeidlich sein, daß Nationalismus zunimmt und die Kompromisse erweitert werden, solnge sich die PKK nicht selbstkritisch aus der Krise herausholt. Jetzt steht sie an einem Wendepunkt, entweder wird sie auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus Lösungen finden – was in naher Zukunft nicht zu erwarten ist – oder sie wird auf dem Weg ohne Rückkehr weitergehen. Der einzige Weg, der der türkischen, der kurdischen und anderen Nationen in unserem Land die Befreiung bringt, führt über den gemeinsamen Kampf gegen Imperialismus und Oligarchie. Die Partei und Front (THKP-C und ihre Nachfolgeorganisation DHKP-C, Anm. d. Übersetz.)) hat das jahrelang vertreten und dafür gekämpft. Weil sie den gemeinsamen Kampf verteidigt, und gesagt hat, daß der Nationalismus die Völker nicht zur Befreiung führen kann, hat man ihr vorgeworfen, daß sie kemalistisch sei. Aber der heutige Zustand und die Krise in der sie sich befindet, zwang die PKK, wenn auch nur in Worten, den gemeinsamen Kampf zu propagieren, was die Partei-Front Linie nochmals bestätigt. In diesem Sinn müssen wir sagen, daß die revolutionäre Richtung dieses Wendepunktes die Linie der Partei-Front ist.


SICH SELBST UND DEM VOLKE VERTRAUEN ODER SICH AUF DIE ANDEREN KRÄFTE VERLASSEN

Die Thesen der PKK, die in ihren ersten programmatischen Schriften sagte, daß “die objektiven Bedingungen für den Sieg der nationale Befreiungsbewegungen unter den nach dem 2. Verteilungskrieg entstandenen Bedingungen heran gereift sind” und verteidigte, daß “für die völlige Unabhängigkeit die Führung des Proletariat notwendig ist”, gehen von der Existenz der Unterstützung des sozialistische Systems für die nationalen Befreiungsbewegungen aus.
“Bei jedem gesellschaftlichen Ereignis, das irgendwo auf der Welt stattfindet, ist der Einfluß der sozialistischen Ländern zu sehen. Für den Sieg der anti-faschistischen und nationalen Bewegungen ist die Existenz der sozialistischen Welt einer der wichtigsten Faktoren. Die Revolutionen gegen den Imperialismus in den kolonialen Ländern sind durch die Existenz des sozialistischen System und durch seinen Einfluß, seine Unterstützung und Hilfe möglich. Die den Imperialismus zerstörenden Kräfte sind zu allererst die nationalen Befreiungsbewegungen, darüberhinaus ist jedoch das sozialistische System die bei einem Sieg dieser Bewegungen im Hintergrund stehende Kraft.” (“Der Weg der Revolution in Kurdistan”) Wenn dies der Fall ist, wird auch ohne Zweifel nach dem Untergang der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder der Kampf der nationalen Befreiungsbewegungen um die Unabhängigkeit nicht verteidigt werden können. Der typische Charakter der kleinbürgerliche Bewegungen zeichnet sich durch das fehlende Selbstvertrauen aus, weswegen ihre Politik extrem durch die Entwicklungen von außerhalb beeinflußt wird. Die kleinbürgerlich-nationalistischen Kräfte sind immer auf der Suche nach einer Kraft, auf die sich stützen können und von denen sie auch unterstützt werden. Wenn diese Kraft eine Zeit lang das sozialistische System war, wird man nach dessen Untergang an seiner Stelle eine andere suchen. Nach der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern befand sich die PKK in einer verwirrenden Situation. Ein Mal wird der Kompromis mit den imperialistischen Kräften und die Unterstützung dieser gesucht, ein anderes Mal wird wegen der Widersprüche innerhalb der Oligarchie eine Lösung von einer Fraktion der Oligarchie erwartet. Das ist das unvermeidliche Ende der kleinbürgerlichen Bewegungen, die sich auf andere Kräfte verlassen.

 

WARUM EINE DISKUSSION DARÜBER NOTWENDIG IST

Im ersten Teil unserer Serie befassen wir uns mit dem Verlassen des Landes durch die PKK im Jahr 1979, ihrer Haltung gegenüber dem Faschismus vom 12. September, der Front im Ausland und mit dem Aufschwung von 1984. Und warum? Man kann fragen, warum es jetzt nötig ist, die vor Jahren stattgefundenen Ereignisse und Haltungen zu diskutieren.
Es ist notwendig, sowohl um die historischen Entwicklung des ganzen Prozeß zu verstehen, als auch, um die direkte Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu erkennen. Als Mitglied der Vereinigten Widerstandsfront gegen den Faschismus im Ausland ist die PKK eine “schwache” Kraft. Die später an vielen Bündnissen teilnehmende PKK ist aber eine “starke” Kraft und kämpft mit Tausenden von Guerrilleros. Aber die Herangehensweise an die Bündnisse und ihre Verbündeten sind noch an Hand der Front im Ausland zu sehen.
Es gibt Verbindungen zwischen den Verhandlungen der PKK mit der Oligarchie über die Bildung einer Föderation, mit dem Verlassen des Landes 1979 und der Haltung gegenüber dem 12. September, die sich zweifellos gegenseitig beeinflussen. Die Geschichte der revolutionären Politik kann nicht so interpretiert werden, daß die späteren Erfolge die zuvor begangenen Fehler ausradieren.
Denn die früheren Fehler beeinflussen auch ständig die späteren Erfolge. Die Fehler, die nicht selbstkritisch korrigiert werden, tragen das Potential in sich, Erfolge in Niederlagen auf einer rechten und reformistischen Linie zu verwandeln.
Wie dem auch sei, der von der PKK durchlaufene Prozeß ist so ähnlich. So betrachtet ist es daher notwendig, die Vergangenheit zu diskutieren.

GESTERN – HEUTE

GESTERN

“…Ein Volk, das kämpfen will, muß sich auf den verlängerten Volkskrieg vorbereiten, die Zahl der Menschen ist dabei nicht wichtig. Wenn das kurdische Volk den Kampf wagt, muß es sich unbedingt auf den verlängerten Volkskrieg vorbereiten, der verschiedenen Stadien durchlaufen wird.” (“Der Weg der Revolution in Kurdistan”),
“In Zusammenhang damit sind die Lösungsvorschläge wie “Autonomie”, “Föderation” und “regionale Selbstverwaltung der Sprache und Kultur” der Linken sowohl der unterdrückenden Nation als auch der unterdrückten Nation die nationale Frage betreffend alle gleich reaktionär und widersprechen der These vom “unabhängigen Staat”, die die einzig richtige Interpretation des Selbstbestimmungsrechts der Nationen ist. Die These vom unabhängigen Staat ist unter den heutigen Bedingungen die einzig richtige und daher revolutionär. Die anderen Thesen und Vorschläge, die die Grenzen des Staates nicht antasten, sind reformistisch und somit reaktionär.” (“Der Weg der Revolution in Kurdistan”)

 

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