Als die Gefangenen mit dem Todesfasten anfingen, wurden sie von den bürgerlichen Parteien, den kleinbürgerlichen Intellektuellen bis hinein in die Linke, nicht ernst genommen. Während die Bourgeoisie, Mehmet Agar und die Polizei inner- und außerhalb der Gefängnisse ihre Angriffe fortsetzte, um Entschlossenheit zu demonstrieren, behaupteten einige Gruppen, daß diese Art von Aktion nicht zum Erfolg führen würde. Die reformistische Linke, die die Fragen der Revolution und ihre Kampfformen im begrenzten Rahmen des Systems denkt und wählt, hat immer den entschlossenen Kampf, ‘Zahn um Zahn’ mit den Herrschenden, abgelehnt. Als offensichtlich wurde, daß die Herrschenden das Land mit fortgesetzten Angriffen und Versammlungsverboten, in einer Art unerklärtem Ausnahmezustand regierten, entwickelte die reformistische Linke ihre Analyse der ‘Regierung der Zwischenphase’ und der ‘Junta’ und beendete ihre einzige Kampfform die Öffentlichkeitsarbeit.
Das war genau das, was die Bourgeoisie erreichen wollte. Die Bourgeoisie kann genau einschätzen, welche Resultate sie mit ihren Maßnahmen bei den verschiedenen Strömungen erreichen wird. Die Taktik der Herrschenden, ist offensichtlich. Die revolutionären Gefangenen in den Gefängnissen hatten sich nie ergeben und im Gegenteil, die Gefängnisse in Schulen der Bewegung verwandelt. Es war den Herrschenden bewußt, daß sie diese Schulen der Revolution zerschlagen mußten. Zumindest mußten die Schulen funktionsunfähig gemacht werden. Sie wußten sehr genau, daß die Gefangenen gegen Angriffe Widerstand leisten würden. Während sie die Angiffe gegen die Gefangenen fortsetzten, griffen sie auch, um jeden Widerstand zu zerschlagen und die Menschen einzuschüchtern mit aller Kraft das Volk an, das die Gefangenen außerhalb der Gefängnisse unterstützte und den Kampf intensivieren wollte. Gegen diese Taktik der Oligarchie ist es revolutionäre Taktik, den Kampf draußen wie drinnen zu verschärfen. Indem der Kampf im ganzen Land verbreitet wird, werden die Pläne des Faschismus mit einem kraftvollen Gegenangriff als Antwort durchkreuzt. Die Reformisten hingegen haben sich an diesem Punkt wieder mit ihrer Theorie der ‘Regierung der Zwischenphase’ zurückgezogen. Indem sie sich um Wahlen und ‘Legalität’ sorgten, haben sie ein weiteres Mal der Oligarchie gezeigt, daß sie nicht zu den Revolutionären gehören, sondern sich von ihnen distanzieren
. Auf der einen Seite hat sich die Krise der Oligarchie vertieft, auf der anderen Seite haben die Angriffe gegen das Volk zugenommen. Trotz des Auseinanderbrechens der Koalition zwischen DYP und ANAP wurden die unter Justizminister Mehmet Agar zu bisher unbekannter Stärke gesteigerten Angriffe fortgesetzt. Mit der REFAHYOL Regierung wurden diese Angriffe ohne Unterbrechung fortgesetzt. Nach dem Auseinanderbrechen der DYP-ANAP Koalition blieb fast keine andere Alternative als eine Regierung der Refah Partei, auch wenn die Imperialisten und die Monopol-Bourgeosie diese Regierung nicht gerade herbeigesehnt hatten. Nachdem die Refah Partei den US-Imperialisten, den Monopolen und dem Militär versprochen hatte, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, gaben die Imperialisten und der Verband der Großindustriellen mit Sabanci grünes Licht für eine Refah Partei Regierung. Diese Regierung hat nicht einen Moment gezögert, ihre Versprechen zu erfüllen und hat sich sofort in Bewegung gesetzt. Der Kernpunkt ihrer Aktivitäten war es, das von der ANAYOL Regierung übernommene Unterdrückungsprogramm umzusetzen und zu versuchen, die revolutionäre Bewegung zu zerschlagen. Obwohl sich die Regierung verändert hat, hat sie die Unterdrückungspolitik der Polizei und des Generalstabes unverändert weitergeführt. Diejenigen, die jeder Regierungsänderung und von bürgerlichen Regierungspartei verschiedene Absichten unterstellen und aus ‘taktischen’ Gründen abwarten oder hofften, daß eine neue Regierung eine andere Politik durchführen könnte, merkten recht schnell, daß sie sich geirrt hatten. Wir haben schon früher ausgeführt, daß in dieser Phase der Revolution und Konter-Revolution keine bürgerliche Regierung sich der Kontrolle der Konterguerilla entziehen kann. Im Gegenteil, ohne sich auf diese Kräfte zu stützen, kann keine bürgerliche Regierung existieren. Dies hat sich ein weiteres Mal gezeigt.
. Die Refah Partei hat sich oberflächlich den Anschein gegeben, anders zu sein, als die anderen bürgerlichen Parteien. Sie hat die Proteste der Volksmassen auf die Regierungsparteien und das System in ihrer Ideologie eingearbeitet und sich als Regimegegnerin präsentiert. Obwohl das ein offensichtliches Manöver war, um an die Regierung zu kommen, führte die mechanisch dogmatische Anwendung des Grundsatzes, daß jede Partei die Interessen einer Klasse oder Schicht vertritt dazu, daß geglaubt wurde, die Refah Partei sei anders, als die anderen bürgerlichen Parteien.
. Daß die Refah keine Gegnerin der Imperialisten, Monopolisten und des Kapitalismus ist, sondern diese nach besten Kräften unterstützt, wurde nicht erst nach Monaten klar, sondern stellte sich innerhalb weniger Tage heraus. Die Refah Partei wurde eine Kraft der Imperialisten und der Monopole, die besonders in der Phase des 12. September Putsches (1980) an der Verbreitung religiöser Motive arbeitete und zur Verfügung stand, wenn Imperialismus und Monopole sie brauchten. Die Refah Partei wurde Regierungspartei, um die Bedürfnisse der Bourgeoisie zu erfüllen, sie hat vom ersten Tag an ‘die Ärmel hochgekrempelt’ und die von der vorherigen Regierung angefangenen Angriffe unter dem Motto ‘was die anderen Regierungen nicht geschafft haben, machen wir’ noch gesteigert. Damit wollten sie den Imperialisten und den Monopolen beweisen, daß sie deren beste Verteidigung sind. Als Beweis wollten sie den Gefangenen einen entscheidenden Schlag versetzen und gleichzeitig die Massenbewegung außerhalb der Gefängnisse vernichten. Während die Refah Partei einerseits vorläufig die Massen mit ökonomischen Versprechungen und Lohnerhöhungen hinhielt, holte sie andererseits zum entscheidenden Schlag gegen die revolutionären Gefangenen aus, um sich der Bourgeoisie als vertrauenswürdig zu zeigen. Wir konnten diese Pläne mit außergewöhlichen Mitteln durchkreuzen. Wir mußten dem Volk zeigen, daß die Refah Partei weder mit dem Volk, noch mit Gerechtigkeit, Menschenrechten oder Gleichberechtigung etwas im Schilde führt, sondern nur die religiösen Gefühle der Menschen ausbeutet und daran arbeitet, die Wünsche des Imperialismus, der kollaborierenden Bourgeoisie und der Konterguerilla zu erfüllen. Wir mußten dies ohne zu zögern und ohne zuzulassen, daß unsere Botschaft verfälscht würde, auf beispielhafte Weise in kürzester Zeit zeigen. Indem die Gefangenen ihren Widerstand zum Todesfasten erweiterten und indem der Kampf außerhalb der Gefängnisse verschärft und erweitert wurde, sollten all diejenigen geweckt werden, die ihre Hoffnung auf die bürgerlichen Parteien und auf die Refah Partei als frisches Blut für die bürgerlichen Parteien gesetzt hatten. Vor den Angriffen sollte eine starke Barrikade errichtet werden.
Der Widerstand der Gefangenen war nicht nur dazu da, die Haftbedingungen der Gefangenen zu verbessern oder einige Rechte zu erkämpfen. Es war vielmehr auch ein Kampf, um mit der neuen REFAHYOL Regierung abzurechnen, bzw. um der faschistischen Refah Partei die Maske vom Gesicht zu reißen. Gegen die Angriffe der REFAHYOL Regierung wehrte sich das Volk mit einem Gegenangriff.
Wie auch die Ereignisse des Todesfastens gezeigt haben, lassen sich die Marxisten Leninisten in ihrem Kampf durch nichts begrenzen. Es hat sich gezeigt, daß wenn wir Marxisten Leninisten in allen Bereichen des Lebens die konkreten Kampfbedingungen analysieren und die Besonderheiten unseres Landes beachten und unseren Kampf mit größter Kreativität entwickeln, wir positive Ergebnisse erzielen können, mit denen niemand rechnet. Aus dieser Perspektive heraus haben die Marxisten Leninisten gehandelt und indem sie die Kreativität des Marxismus Leninismus mit den konkreten Bedingungen verbunden haben, haben sie die Waffe des Todesfastens ins Leben gerufen.
Die Bourgeoisie zeigte ihren Egoismus und ihren Unglauben, indem sie aus dem Munde des Justizministers Sevket Kazan verlauten ließ, daß die Gefangenen nicht sterben würden. Auch manche Reformisten haben bis zu dem Zeitpunkt an dem die Toten aufeinander folgten, das Problem nicht ernst genommen. Nachdem die ersten Todesfastenden gefallen waren sagten sie “Warum sind sie gestorben, das ist nicht notwendig, man muß leben und draußen kämpfen”. Auf diese Weise zeigten sie eine Haltung, die mit der Haltung auf die Angriffe der Herrschenden mit einem Gegenangriff zu antworten weit entfernt war, die mit revolutionärer Entschlossenheit und Überzeugung nichts zu tun hatte. Diese Einstellung der ‘Linken’ enspricht genau der Haltung der kleinbürgerlichen Intellektuellen, den Widerstand nicht zu unterstützen sondern stattdessen zu beenden. Die revolutionäre Bewegung mußte sowohl gegen die Angriffe der Bourgeoisie als auch gegen die der Reformisten und kleinbürgerlichen Intellektuellen entschlossen und bereit den hohen Preis zu zahlen, den Kampf intensivieren. Diese Angriffe sollten im Namen der Bourgeoisie Pessimismus und Verunsicherung verbreiten, indem sie die Tode als überflüssig bezeichneten. Eine breite Front von der Bourgeoisie über kleinbürgerliche Intellektuelle, viele demokratische Gruppen und Einzelpersonen haben nicht geglaubt, daß die revolutionäre Bewegung breit sein würde, in diesem Kampf Gefallene zu geben. Durch die Voraussicht und Bemühungen der Marxisten Leninisten gelang es auf vielen Bereichen die Einheit der revolutionären Kräfte große Schritte voranzubringen. Es bestehen noch einige Probleme, aber man hat begonnen, Lösungen zu entwickeln. Das zentrale Koordinationskomitee der Gefängnisse, die Gefangenensolidaritätsplattform DETUDAP, der 1.Mai 1996 waren für diese Einheit die besten Beispiele. Der Todesfasten Widerstand war eine ernste Prüfung für diese Einheit und mußte auch unter diesem Aspekt bewertet werden. Am wichtigsten war auch, daß die revolutionäre Bewegung der Türkei unter den schwierigsten Bedingungen in einer Zeit (die Jahre nach dem Putsch, gemeint ist das Todesfasten von 1984 d.Ü.) in der sich nichts bewegte die Tradition schuf, dem Feind Schläge zu versetzen und ein Erbe wie das Todesfasten hinterlassen hat. Die Gefangenen haben die Behandlung als ‘Häftlinge’ von sich gewiesen, ihre Identiät als Freie Gefangene erkämpft und ihren Kampf mit dem Kampf außerhalb der Gefängnisse zu einem untrennbaren Ganzen verbunden. Die Vorstellungen, “In den Gefängnissen kann es keinen politischen Kampf geben!”, “Nur um Rechte kann dort gekämpft werden” und ähnliches die die Reformisten verbreiteten, wurden von den Gefangenen zerschmettert und auf den Müll geworfen. Die Gefangenen haben die Gefangenschaft in einen Albtraum für die Oligarchie verwandelt, die fürchtet, daß alle in den Gefängnissen zu Militanten werden. Der unter diesen Umständen geführte Widerstand der Gefangenen, der der Gefahr des Todes ins Auge sah, fand im Land und auf der ganzen Welt ein großes Echo. Mit ihm gelang es das faschistische Gesicht der Refah Partei in wenigen Tagen zu zeigen, eine Aufgabe, die andernfalls Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch genommen hätte.
Die Dynamik der revolutionären Bewegung der Türkei war zu jeder Zeit stark. Der Mangel lag in der ungenügenden Führung der Bewegung, die dogmatisch handelte und den Rahmen der bekannten Kampfformen nicht überschritt, die unter dem Einfluß der Reformisten verharrte, kein Vertrauen in die eigene Kraft entwickelte und die Entwicklung von Gemeinsamkeit scheute. Das Todesfasten kann man als gemeinsames Handeln verschiedener politischer Gruppen bewerten, die gemeinsam dem Tod ins Auge blicken, die wenn auch langsam ihren Dogmatismus und die Einzelinteressen der Gruppen überwinden.
Das Todesfasten öffnete bei der Oligarchie und insbesondere bei der Refah Partei und ihrer ‘islamistischen’ Ideologie ein großes Loch. Refah Partei und Oligarchie bekamen zu einem nicht erwarteten Zeitpunkt auf einem nicht erwarteten Feld einen großen Schlag versetzt. Dieser Kampf hat nicht nur vor den Angriffen der Refah Partei und der Bourgeoisie eine Barrikade errichtet und die Rechte der Gefangenen erkämpft. Er hat vor allem der Refah Partei die Maske vom faschistischen Gesicht gerissen und der Pessimismus und Unglauben verbreitenden Bourgeoisie einen großen Schlag versetzt. Die eigentliche Errungenschaft dieses Widerstandes war im ideologischen Kampf mit der Bourgeoisie die moralische Überlegenheit und den Sieg davon zutragen.
Die Reformisten, die Bourgeoisie, die kleinbürgerlichen Intellektuellen etc., die jeden Tag tausendmal wiederholten, daß es keinen Menschen mehr auf der Welt gäbe, der für seine Sache den Tod ins Auge fasse, waren sehr überrascht als hunderte Revolutionäre hintereinander ihr Leben gaben. Sogar die durchschnittlichen bürgerlichen Autoren mußten zugeben, daß sie überrascht waren. Aber es war nichts Neues, daß die Marxisten-Leninisten, die Revolutionäre für ihre Überzeugung dem Tod ins Auge sehen, ihn ohne Zögern empfangen. Wir hatten hunderte von führenden Kadern und Kämpfern, die seit Jahren mit ihrem letzten Atem die Überzeugung an ihre Sache bekräftigten, in allen Umzingelungen sich niemals ergaben, kämpfend starben und sogar in ihren letzten Augenblicken ihre Überzeugung mit ihrem Blut an die Wände schrieben. Aber in diesem Kampf, Zahn um Zahn, mit all diesen Gefallenen konnte bestimmte Teile des Volkes, Demokraten, kleinbürgerliche Intellektuelle und sogar die Bourgeoisie nichts wie das Todesfasten erschüttern. Allerdings ist das Todesfasten kein Ereignis, das sich plötzlich entwickelte. Unter den Bedingungen während der Zeiten des Militärputsches 1980 gab es außerhalb der Gefängnisse fast keine Kämpfe. Die Gefangenen leisteten Widerstand um ihre politische Identität und ihre Würde aufrecht zu halten. Aber dieser Widerstand, der Opfer forderte, war nicht von draußen und vom Volk isoliert. Der Widerstand nahm in jedem seiner Schritte die Entwicklung der Bewegung und die Zukunft des Volkes als Ausgangspunkt. Diejenigen, die unter den damaligen Bedingungen sagten, “Die Gefängnisse sind kein Zentrum des Kampfes.”, “In Gefängnissen kann man keinen politischen Kampf führen.”, “Aktionen wie Todesfasten sind Selbstmord und Mord.” usw., nahmen heute am Todesfasten teil. Das zeigt, daß der seit Jahren in allen Bereichen, in Städten und in Bergen andauernde und bewaffnet oder unbewaffnet geführte Kampf, der Opfer forderte, auf das Volk und dadurch auf die Linke sehr starken Einfluß hatte. Der Kampf hat bewirkt, daß das Volk und die Linke Entwicklungen in die richtige Richtung gemacht haben. Kein einziges Opfer ist vergeblich, sondern bewirkt etwas. Egal wie sehr die Wahrheit abgelehnt oder nicht wahrgenommen wird, sie drängt sich auf und setzt sich durch.
Die Revolutionären Kräfte haben gezeigt, daß sie, wenn ihnen die Einheit gelingt, trotz des hohen Preises eine ernst zu nehmende Kraft sind und daß sie, indem sie die richtige Politik realisieren, wichtige und erfolgreiche Ergebnisse erzielen werden. Der andauernde Krieg hat gelehrt, daß die revolutionären Kräfte ohne den hohen Preis zu zahlen, ohne den Kampf mit der Bourgeoisie auf allen Ebenen zu führen, ernsthafte, positive Ergebnisse nicht erzielen können. Alle wissen, daß die Revolutionäre nicht den Tod wünschen. Aber sie haben hunderte Male die Entschlossenheit gezeigt für ihre Sache zu sterben, wenn es nötig ist. Und vor dieser Bereitschaft fürchtet sich der Feind am meisten. Es wird immer gesagt, es gibt keine Kraft, die Menschen, die den Tod ins Auge fassen, besiegen kann. Für die Bourgeoisie ist die gefährlichste und am meisten gefürchtete Kraft der Mensch, der den Tod in Kauf nimmt. Die Bourgeoisie hat beim Todesfasten diese gefürchtete Kraft wieder gesehen. Und als die Oligarchie sah, daß die Revolutionäre gemeinsam den Tod empfangen, geriet sie in Panik. Ein Kampf, der gemeinsam und indem man auch den Tod teilt, geführt wird, kann den Weg ebnen, zum Beginn eines neuen Prozesses der revolutionären Bewegung der Türkei. Das Todesfasten kann mit all diesen Aspekten, mit der Vereinigung der linken Kräfte, seiner Entschlossenheit, seiner Brillianz der Beginn eines neuen Abschnittes für die revolutionäre Bewegung der Türkei sein. Die Bourgeoisie sieht diese Gefahr und wird neue Angriffspläne starten, um dieser Gefahr zu entgehen.
Das Todesfasten ist mehr als nur ein ideologischer Kampf mit der Bourgeoisie um Sozialismus oder Kapitalismus. Sie hat die nicht sozialistischen Intellektuellen, die Demokraten, die im Regime ihre Hoffnung suchten, die Egoisten, die Entmutigten, die Müden und sogar die Islamisten, die mit Worten vom gerechten Regime, von Gerechtigkeit und Gleicheit betrogen wurden, kurz das ganze Volk, tief erschüttert. Hinter dieser Erschütterung steht der selbstlose und opferbereite neue Mensch, der gegen die Unmoral der Bourgeoisie, gegen die Degeneration, den Individualismus, den Identiätsverlust, gegen den Egoismus eine neue Moral stellt, der für sein Volk und sein Vaterland seine eigenen Interessen hinten anstellt. Dieser neue Mensch konnte in den Todesfastenkämpfern gesehen werden. In dem von den Imperialisten und dessen Kollaborateuren geschaffenen Sumpf schufen die ihr Leben gebenden Revolutionäre eine starke Hoffnung für eine neue Welt, für ein würdiges Leben und eine würdige Zukunft. Das Volk diskutierte den Unterschied zwischen den bürgerlichen Parteien und den Revolutionären. Durch die Tode wurden die Demagogie und die Lügen der Bourgeoisie durchkreuzt. Die Gefallenen haben das Gewissen des Volkes angesprochen. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Ehre und Würde wurde deutlich. Diese Sehnsucht konkretisierte sich auf den Straßen. Von denjenigen, die unter dem Einfluß des Regimes standen, wählten viele ihren Platz bei den Revolutionären. Das Todesfasten, das von verschiedenen Organisationen gemeinsam organisiert wurde, hat sein Fundament in den vielen bewaffneten und unbewaffneten Aktionen und den hunderten von Gefallenen. Deshalb hatte das Todesfasten großen Einfluß. Der Einfluß entstand aus dem Charakter des Todesfasten. Das kann nicht mit einer dogmatischen Theorie erklärt werden, sondern aus der Art und der Entwicklung der Revolution. Diese Ergebnisse wurden durch die Anwendung der richtigen Methoden im Kampf und durch die Bereitschaft den hohen Preis zu zahlen erreicht.
Am Anfang stützten sich Polizei, Militär und die bürgerlichen Parteien der Oligarchie auf die Ansicht, “sie können nicht sterben…”. Als die Todesfastenden hintereinander starben, dachten die Militärs “sie sollen drinnen sterben und draußen töten wir”, und glaubten, daß sie die Unterdrückung weiter fortsetzen und den Widerstand vernichten könnten. Als die bürgerlichen Parteien, die nicht daran glaubten daß die Gefangenen sterben können sahen, daß sie hintereinander starben, daß trotz der Repression die Massenaktivitäten zunahmen, daß die Weltöffentlichkeit aufstand und daß die Gefangenen trotz der Gefallenen entschlossen ihren Widerstand fortsetzten, machten sie Zugeständnisse. Sie mußten in die Knie gehen und zusagen, die Forderungen der Gefangenen zu erfüllen, um das Massenpotential des Widerstandes zu stoppen und den Widerstand um jeden Preis zu beenden. In dieser Phase, während die Polizeichefs allen, darunter Intellektuelle und Künstler, drohten und allen Rache schwörten, ergaben sich die bürgerlichen Parteien an die ihr Leben gebenden Todesfastenden. In dieser Phase haben sich diejenigen die ausriefen “es darf keine Toten geben, beendet den Widerstand”, mit der Bourgeoisie am gleichen Punkt getroffen. Die Revolutionäre lieben weder das Sterben noch das Töten. Aber wenn es die Revolution voranbringt, fürchten sie sich nicht vor dem Tod. Diejenigen, die vor dem Tod Angst haben, wollen die Revolution nicht.
Die Tage in denen jeden Tag weitere zwei, drei Todesfastende starben, waren der Albtraum der Oligarchie. Trotz ihrer zur Schau gestellten Kompromißlosigkeit und Härte, erlebten sie ihre größten Momente der Schwäche. Wenn es notwendig gewesen wäre, hätten die Gefangenen der Partei-Front jeden noch so hohen Preis bezahlt.
Einige demokratische Organisationen gerieten in Panik und fürchteten eine Polizeioperation in den Gefängnissen. Mit der gezeigten Härte wollte die Regierung genau diese Panik erreichen. Außerdem versuchten Gefangene, die weder am Todesfasten noch am gleichzeitigen unbefristeten Hungerstreik teilgenommen haben, den Widerstand für ihre Zwecke auszunutzen. Sie verhandelten im Namen der Todesfastenen ohne deren Wissen mit Abgesandten der Regierung und verursachten damit viele Mißverständnisse und Fehlentwicklungen. Wer im Namen der Gefangenen Verhandlungen mit der Regierung führt, ohne zu wissen, was die Gefangenen denken, muß sehr genau überlegen, wen und was er vertreten kann. Sie handeln ohne Vollmacht, wenn sie ohne Erlaubnis und Bestätigung der Gefangenen in deren Namen sprechen und Verhandlungen führen. Wenn sie weiterhin im Namen der Gefangenen sprechen und sogar aus ihren eigenen Ansichten heraus ‘Amnestie’ für die Gefangenen fordern, bringen sie sich in Verlegenheit vor der Öffentlichkeit. Wenn sie sich für die Rechte der Gefangen und deren Menschenrechte einsetzen, müssen sie zunächst eine Linie entwickeln, die nicht im Widerspruch zu der Linie der Gefangenen steht.
Obwohl der Widerstand der Gefangenen einen Sieg erzielt hat, sind weder die Angriffe der Oligarichie noch der Widerstand beendet. Der Widerstand wird sich in verschiedenen Formen fortsetzen und sich aus seiner Eigendynamik heraus mit dem Kampf außerhalb der Gefängisse vereinigen und vorwärts entwickeln. Heute ist die dringendste Aufgabe, die Angriffe der Oligarchie zurückzuschlagen oder noch besser, aus der Verteidigung zum Angriff überzugehen. Dazu muß sich die zentrale Koordination der Gefangenen noch mehr entwickeln, diejenigen Organisationen, die noch nicht teilnehmen zur Teilnahme bewegen, den Widerstand bewerten und die nötigen Lehren aus ihm ziehen und so einen noch größeren Widerstand vorbereiten. Außerhalb der Gefängnisse müssen die Gefangenen Solidaritäts-Organisationen vergrößert und institutionalisiert werden, so daß sie die dauerhaften Aufgaben nicht vernachlässigen. Um die in den Gefängnissen erzielten positiven Ergebnisse auch außerhalb der Gefängnisse wiederzuspiegeln ist es notwendig, die herrschende Unorganisiertheit in Organisierung zu verwandeln, die Zersplitterung des Kampfes zu überwinden und den Kampf zu zentralisieren und zu strukturieren. Während der Zeit des Widerstandes ist es draußen nicht gelungen, dem Widerstand eine zentrale Struktur zu geben. Deswegen ist der Massenwiderstand draußen schwach und wirkungslos geblieben und hat nur mit der steigenden Anzahl der Toten Relevanz erreicht. Aber trotz der 12 Gefallenen, der Dutzenden von Verwundeten und der Hunderten, die sich an der Grenze des Todes befanden, blieb der Widerstand außerhalb der Gefängnisse weit hinter den Erwartungen zurück. Obwohl der Widerstand bei in den Köpfen der Reformisten, der kleinbürgerlichen Intellektuellen und der Demokraten ein Erdbeben ausgelöst hat, verhinderte das Fehlen einer kraftvollen und vertrauenswürdigen, zentralen demokratischen Organisation die ausreichende Ausbreitung des Widerstandes. Wenn wir nicht die demokratische Opposition des Volkes zentralisieren und organisieren, werden die Reformisten den Kampf weiter spalten und unter ihre Kontrolle bringen wollen. Einige Organisationen werden, indem sie „Kraft- und Aktions-Bündnisse” vorschlagen, für sich selbst völlige und willkürliche Bewegungsfreiheit in Anspruch nehmen. Die breiten Schichten des Volkes werden solch einer Situation kein Vertrauen schenken und statt Zehn- oder Hunderttausender werden einige wenige auf den Plätzen zurückbleiben.
Die Refah Partei und die anderen bürgerlichen Parteien, die ihre Stimmquellen nicht verlieren wollen, können, um das mit dem Regime unzufriedene Massenpotential zu halten, eine Teilamnestie vorschlagen. Schon jetzt kann man den Beginn dieser Debatte verfolgen. Wir müssen diese Debatte vertiefen und auf allen Ebenen die Forderung „Freiheit für die Gefangenen” erheben. Es ist nicht unmöglich, den Sieg im Todesfasten mit der Freiheit der Gefangenen zu krönen. Es ist möglich, mit den politischen Strukturen, der breiten Teilnahme der Demokraten und Fortschrittlichen, Erfolge zu erzielen.
Indem die Gefangenen ohne wenn und aber gezeigt haben, daß sie bereit waren, gemeinsam zu sterben wenn es notwendig ist, haben sie die Notwendigkeit der Frage der Einheit allen bewußt gemacht. Diejenigen, die sich unter tausend Vorwänden aus der Verantwortung für die Einheit zurückzogen und die unter der Maske der Einheit ihre egoistischen Gruppeninteressen vertreten, sollen sich noch einmal umschauen wie unsere Gefallenen gemeinsam in den Tod gegangen sind und darüber nachdenken.
Die Todesfasten Kämpfer und Kämpferinnen haben die Geschichte der Würde und der Heldenhaftigkeit unseres Volkes geschrieben. Diese Geschichte ist so traditionsstark und legitim, daß sie in die von der Bourgeoisie geschaffenen Welt der Unmoral, der Lüge, der Degeneration, des Egoismus und der Hoffnungslosigkeit, Hoffnung gebracht und Vertrauen geschaffen hat. Die revolutionäre Bewegung erzielte bei den Volksmassen eine noch größere Legitimität und versetzte der Bourgeoisie einen schweren ideologischen Schlag. Die Massen bekannten sich zu den Gefangenen. Diejenigen, die unter diesen Bedingungen immer noch nicht den Todesfasten Widerstand unterstützen, die versuchen, die Ergebnisse schlecht zu machen, sind, egal was für eine Ansicht sie vertreten, nicht für Gerechtigkeit und Menschenwürde und stehen nicht auf der Seite des Volkes. Man sollte sie fragen, was sie unter Würde und Gewissen verstehen und prüfen, ob sie überhaupt so etwas besitzen. Die wertvollsten Kinder unseres Volkes und der Revolution sind diejenigen, die ohne zu zögern ihr Leben gaben. Wir kennen diejenigen, die so tun als ob nichts gewesen wäre, die sich nicht einmal wie die bürgerlichen Menschenrechtsverteidiger um das Leben der Gefangenen kümmerten. Es wird immer schwieriger in der Ecke zu sitzen und eine künstliche Tagesordnung aufzustellen, die Revolutionäre immer noch zu beschimpfen und zu versuchen, sich als die Vertreter der Arbeiterklasse auszugeben und gute Beziehungen zum Volk vorzutäuschen. Sie werden früher oder später vom Volk zur Rechenschaft gezogen werden. Sie sagen „Die Arbeiterklasse löst die Probleme, wir müssen zur Arbeiterklasse gehen”, blicken dabei auf alle Aktionen herab und haben eigentlich mit der Arbeiterklasse nichts zu tun. Dieses Verhalten wurde jetzt ein weiteres Mal durchschaut. Alle ihre Betrügereien und alle Taten ihres Zynismus begehen sie im Namen der Arbeiterklasse. Der Kampf steigert sich und die Angriffe der Oligarchie werden stärker. In diesem Prozeß wird der Abstand zwischen den Reformisten und den Revolutionären größer und die Reformisten entwerfen wie Aydinlik1 Pläne, sich zu retten. Aus diesen Gruppen entwickelt sich mit jedem Tag ein immer größerer Reaktionismus. Sie haben bereits begonnen in der Literatur der Bourgeoisie gegen die Revolutionäre zu schreiben. Wenn sie diesen Weg weiter fortsetzen, werden sie sich wie Aydinlik nicht vor einer Verurteilung retten können. Die revolutionäre Bewegung ist stärker als je und wird sowohl die Provokationen der Oligarchie, als auch derjenigen, die sich der Bourgeoisie anbiedern zerschlagen.
Es ist die Zeit, in der wir noch mutiger werden, in der wir aus den Ereignissen lernen und überall die Einheit der Revolutionäre fördern. Damit werden wir noch komplexere Organisationsformen schaffen und noch größere Aktionen verwirklichen.
1 Anspielung auf eine Partei aus den 70er Jahren, die unter verschiedenen Namen bis heute existiert. Die Partei verriet Revolutionäre and die Oligarchie indem sie sie anzeigte und ihre Namen und Fotos in den Zeitungen veröffentlichte. Die Zeitung dieser Partei hieß Aydinlik und wurde auch von ihren Nachfolgeparteien beibehalten. Zur Zeit heißt die Partei Isci Partisi.
Quelle: Kurtulus 1, 3. August 1996 Seiten 3-4