Erklärung der Anwaltskanzlei des Volkes zu den jüngsten Entwicklungen des Todesfasten-Widerstandes von Ebru Timtik und Aytaç Ünsal

ANTRAG ZUR PRÜFUNG, OB TODEFASTENDE ANWÄLTiNNEN IN DER TÜRKEI AUFGRUND IHRES KRITISCHEN GESUNDHEITSZUSTANDS FREIGELASSEN WERDEN KÖNNEN, WURDE ANGENOMMEN.
DIE ANWÄLTE EBRU TIMTIK UND AYTAC ÜNSAL SOLLEN DESHALB ZUR UNTERSUCHUNG INS GERICHTSMEDIZINISCHE INSTITUT VERLEGT WERDEN. IHRE KOLLEGINNEN SIND DARUM BEMÜHT, DASS DIE FORMALITÄTEN FÜR DEN NÖTIGEN TRANSPORT RASCH ERLEDIGT WERDEN.

Gestern Montag, 27. Juli 2020, wurde ein Antrag an das 37. Gericht für schwere Strafsachen, sofortige Maßnahmen und medizinische Untersuchungen für die todesfastenden AnwältInnen Ebru Timtik und Aytac Ünsal zu veranlassen und deren Freilassung zu erwirken, akzeptiert.

Die AnwaltskollegInnen der beiden halten derzeit vor dem Justizpalast in Istanbul eine Presseerklärung ab und drängen darauf, dass endlich der seit gestern vorliegende Beschluss zur Überstellung ins gerichtsmedizinische Institut umgesetzt wird. Die Zeit drängt und es gilt weiter zu befürchten, dass die Behörden die notwendigen Maßnahmen solange hinauszögern, bis es zu spät ist.

Ebru Timtik ist bereits 208 Tage, Aytac Ünsal 177 Tage im Hungerstreik, um faire Verfahren und die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit zu verteidigen. Beide sind in einem kritischen Zustand.

Landesweit unterstützen Anwaltskammerpräsidenten, RechtsanwältInnen sowie auch internationale Anwaltsverbände und KollegInnen ihr Anliegen und treten für ihr Leben ein.

Heute wird im Zuge der medizinischen Untersuchung eine gerichtliche Verfügung über ihre Freilassung erwartet.

In diesem Zusammenhang hat die Anwaltskanzlei des Volkes eine Erklärung veröffentlicht, die wir Ihnen auf Deutsch weiterleiten:

 

ANWALTSKANZLEI DES VOLKES

28.07.2020

RA. EBRU TIMTIK UND RA. AYTAC ÜNSAL WURDEN IN DAS GERICHTSMEDIZINISCHE INSTITUT VERLEGT!

UNSERE ANWALTSKOLLEG(INNEN) SOLLEN UNVERZÜGLICH FREIGELASSEN WERDEN, BEVOR IHR GESUNDHEITSZUSTAND SICH WEITER VERSCHLECHTERT!

 

Am Montag, den 27. Juli verfügte der 16. Strafsenat des Revisionsgerichtshofs, dass für unseren Antrag zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen für die Haftentlassung unserer AnwaltskollegInnen das 37. Istanbuler Strafgericht zuständig ist. Das 37. Istanbuler Strafgericht verordnete noch am selben Tag die Verlegung von Ebru Timtik und Aytac Ünsal in das Gerichtsmedizinische Institut.

Rechtsanwalt Aytac Ünsal befindet sich am 177. Tag des Todesfastens, Rechtsanwältin Ebru Timtik am 208. Tag des Todesfastenwiderstandes. Angesichts der lebensbedrohlichen Lage infolge der langanhaltenden Nahrungsverweigerung ist es eine zwingend, unsere AnwaltskollegInnen aus der Haft zu entlassen.

In dem betroffenen Verfahren, das mit einer Polizeioperation gegen unsere Kanzlei am 12. September 2017 begann, wurden in den letzten 3 Jahren zahlreiche Rechtswidrigkeiten begangen und es kam angefangen von der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren zu zahlreichen Rechtsverletzungen. Bei der ersten Verhandlung wurde alle AnwältInnen, die im Rahmen dieses Verfahrens inhaftiert wurden, freigelassen. Doch infolge einer Intervention in den Prozessverlauf vergingen nicht einmal 10 Stunden, bis neuerliche Haftbefehle erlassen wurden. Das Gerichtspanel wurde aufgelöst und durch ein neues ersetzt, welches mehrfach die Artikel der Strafprozessordnung verletzte, indem es innerhalb von 5 Monaten in nur 2 Sitzungen 18 AnwältInnen zu Haftstrafen von 159 Jahren verurteilte. Diese Hafturteile wurden seitens des 2. Strafsenats des Istanbuler Bezirksgerichtshofes ohne Überprüfung bestätigt. Im Rahmen dieses Strafverfahrens wurde der Anwaltsberuf und die dazugehörigen Anwaltsaktivitäten offen als Straftat geahndet und die Übernahme der Verteidigung von gesellschaftlichen Ereignissen wie Soma, Berkin Elvan und Nuriye-Semih waren sowohl Teil der Anklageschrift als auch des begründeten Urteils.

Gegen all diese Rechtswidrigkeiten begannen 8 der in diesem Rahmen inhaftierten AnwältInnen am 3. Februar 2020 mit einem Hungerstreikprotest. Am Tag der AnwältInnen, den 5. April, sind die RechtsanwältInnen Ebru Timtik und Aytac Ünsal mit der Forderung der „Gewährleistung eines fairen Verfahrens“ ins Todesfasten getreten. Obwohl sich die Akte seit seit April, also bereits 4 Monate zur „Überprüfung“ im 16. Strafsenat des Revisionsgerichts befindet, wurde noch kein Urteil gesprochen.

Am Freitag, den 24. Juli haben wir gemeinsam mit den StrafverteidigerInnen Anträge beim 16. Strafsenat des Revisionsgerichts sowie beim 37. Istanbuler Strafgericht gestellt, um die Freilassung unserer inhaftierten Anwalts KollegInnen und die dringliche Überprüfung der Akte und Aufhebung der Urteile zu fordern. Unsere KollegInnen, die den Antrag dem Revisionsgericht überreichten, rührten sich nicht von der Stelle bis sie eine Antwort bekamen. Als unsere KollegInnen am Montag, den 27. Juli erneut vor den Revisionsgerichtshof gingen, erfuhren sie, dass die Forderung nach Haftentlassung zwecks Prüfung an das 37. Istanbuler Strafgericht übermittelt wurde und beendeten somit das Warten vor dem Revisionsgericht. Am selben Tag ordnete das 37. Istanbuler Strafgericht die Verlegung von Ebru Timtik und Aytac Ünsal in das Gerichtsmedizinische Institut an.

Es ist zwingend, dass die erforderlichen Maßnahmen für die Haftentlassung von Ebru Timtik und Aytac Ünsal so rasch wie möglich ergriffen werden und ein entsprechender Beschluss ergeht.

Darüber hinaus befinden sich im Rahmen des Verfahrens neben Ebru Timtik und Aytac Ünsal weitere 8 AnwältInnen in Haft. Der 16. Strafsenat des Revisionsgerichtshofs soll dieses Verfahren, in dem alle Prinzipien des Rechts auf ein faires Verfahren sowie die Strafprozessordnung mehrfach verletzt wurden, einstellen und die Freilassung aller unserer inhaftierten AnwaltskollegInnen anordnen.

Die Forderung der AnwältInnen Ebru Timtik und Aytac Ünsal nach einem fairen Verfahren ist eines der grundlegendsten Forderungen unserer gesamten Bevölkerung. Dank der Unterstützung unserer FreundInnen, die mit dieser Forderung zusammenkamen und dafür eingetreten sind, wurde unsere Forderung, dass die notwendigen Maßnahmen zur Haftentlassung ergriffen wurden, akzeptiert und eine Verlegung in das gerichtsmedizinische Institut angeordnet. Für die Freilassung von Ebru Timtik und Aytac Ünsal, sowie die Einstellung des Verfahrens, das sich mit der Forderung der Gewährleistung eines fairen Verfahrens zur Überprüfung beim Revisionsgerichtshof befindet, benötigt es noch kräftigere Stimmen unserer AnwaltskollegInnen. Und wir glauben daran, dass unsere Stimmen mit der Forderung nach Gerechtigkeit noch lauter werden. Wir werden siegen!

DIE GERECHTIGKEIT MUSS GEWÄHRLEISTET WERDEN!

EBRU UND AYTAC MÜSSEN LEBEN!


Übersetzung: Anadolu News Blog

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